Der Heiratsspezialist
Disziplin!
Sieben Wochen lang!
Bob blieb verschwunden, das heißt, er versteckte sich bei Sheriff Brass. Da er nicht an seine Sachen herankonnte, kaufte ihm Brass Unterwäsche und einen billigen Anzug, Strümpfe und drei bügelfreie Hemden. Abends ging Bob hinter dem Sheriffhaus im Garten spazieren, oder er fuhr im Dienstwagen nach Las Vegas hinein, saß in den Restaurants herum, kaute mißmutig ein Steak oder schlürfte ein Bier, bis Brass ihn wieder abholte. Das einzige, was ihn erfreute, war der nächtliche Besuch von Jenny.
Sie entwickelte dabei große Phantasie, denn ihre Nebenbuhlerin blieb ihr auf den Fersen. Julianes weiblicher Instinkt sagte ihr, daß Jenny genau wußte, wo Bob sich versteckte, und daß sie jede Nacht zu ihm schlich. Juliane kaufte sich einen Gebrauchtwagen und verfolgte Jenny, wenn diese den Dienst im Ice-Saloon beendet hatte. Aber immer verlor sie die Spur. Jenny fuhr nämlich in die Stadt, parkte entweder vor Hammers Casino oder dem Golden Nugget, ging in das Desert Inn oder das Holyday, zog sich auf den Toiletten um, setzte sich schwarze oder rote Perücken auf, verließ die Gebäude auf der Rückseite und ließ sich mit einem Taxi zum Sheriff bringen. Juliane wartete mehrmals bis zum Morgengrauen, bevor sie merkte, daß man sie ausgetrickst hatte.
Nach sechs Wochen ließ sie sich bei Sheriff Brass melden. Brass gab sofort Alarm in die obere Etage und empfing Mrs. Brook mit ausgesuchter Höflichkeit.
»Mein Mann ist vermißt!« sagte sie. »Kann ich eine Meldung machen?«
»Jederzeit!« Brass suchte ein Formular aus einem Stapel Papiere. »Aber davon kommt er nicht wieder.«
»Sie wissen mehr?«
»Bob hat geäußert, er wolle lieber wie ein Höhlenbär im Grand Canyon leben, als seinen Vertrag brechen. Hat Ihnen Pfarrer McDolland das nicht berichtet?«
»Ja, schon. Aber wenn ich eine Vermißtenanzeige mache, müssen Sie ihn suchen, nicht wahr?«
»Selbstverständlich, Mrs. Brook. Aber wo?« Brass zeigte mit dem Daumen über die Schulter. An der Wand des Dienstzimmers hing eine Landkarte der USA. »Amerika ist groß. Nehmen wir an, Bob sei sogar bis Hawaii geflüchtet – warum nicht? – oder nach Alaska – wo sollen wir da mit dem Suchen beginnen!«
»Nach welcher Zeit kann ich ihn für tot erklären lassen?« fragte Juliane ernst. Brass zuckte heftig zusammen. Damit hatte niemand gerechnet. Er begriff, warum McDolland diese Frau einmal unheimlich genannt hatte.
»Das entscheidet das Gericht«, sagte er heiser. »Das muß man Mr. de Trajano fragen. Aber ich glaube, die Chancen sind in diesem Falle sehr gering. Was hätten Sie auch davon?«
»Ich bliebe für immer Mrs. Brook!« sagte Juliane kalt. »Es gäbe dann keinen Vertrag mehr … und ich könnte endlich dieses Luder von Jenny zum Teufel jagen!«
In der achten Woche änderte sich das Klima im Ice-Saloon. McDolland ging zur Offensive über. Etwas anderes blieb ihm auch kaum übrig, wollte er nicht rettungslos abgedrängt werden. Jennys Vetter Harry Sandler war nämlich zu dem Schluß gekommen, daß Altersunterschiede keine Rolle spielten, wenn man mit Männlichkeit Millionen gewinnen kann. Wann würde ihm, einem Cowboy, je wieder die Gelegenheit geboten werden, ein von neuer Sehnsucht erfülltes Herz zu besänftigen?
Harry kaufte sich superenge Jeans, die vor allem beim Gehen jeden Augenblick zu platzen drohten, trug das Hemd über der breiten Präriebrust bis zum Gürtel offen und scherzte mit Juliane herum. Abends sang er Lagerfeuerlieder zur Gitarre und schrie jippijeh.
McDolland hatte dem nichts entgegenzusetzen. Kirchenlieder und weise Sprüche Salomons erzeugen nicht annähernd die stimulierende Wirkung von Rinderhirtenromantik. Zwar verfügte McDolland über ein unerschöpfliches Repertoire von Männerwitzen, aber sie halfen ihm bei Juliane nicht weiter. Ihm blieb nichts anderes übrig, als sie am Sonntag zu einem Kirchgang einzuladen, nach dem Gottesdienst mit ihr Kaffee zu trinken und Kuchen zu essen, ihr sein schönes Haus zu zeigen und von der Arche Noah zu erzählen, die er als klassisches Beispiel für die Welterrettung durch Zweisamkeit interpretierte.
Juliane verstand ihn sofort. Sie lächelte geschmeichelt, überdachte ihre verfahrene Situation und gestand sich ein, daß McDolland ein noch starker, wackerer Mann sei, dem man die Sechzig nicht zutraute und der vor allem Lebensart besaß.
»Sehen Sie Bob?« fragte sie.
McDolland machte Hm-hm und blickte an die Zimmerdecke. Hm-hm ist keine
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