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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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erfreulichen kräftigen salzigen Aroma, nicht diesem schweren Stickstoffoxidgestank in die Nase, und das Meer war an seiner Oberfläche klar und sauber, ohne rötliche glitschige driftende Algenklumpen, ohne phosphoreszierende Haufen von Quallen und ohne breite Driften von fossilen Ölrückständen aus dem zwanzigsten Jahrhundert.
    Er trug weiter nichts als eine zerfledderte abgeschnittene Jeanshose am Leib, doch er ging jeden Morgen ohne Angst hinaus auf Deck und unter die Sonne, die sich, unbefleckt von trüben Treibhausgasen, aus dem Meer hob und ein weiches, beinahe zärtliches Licht über das Wasser breitete. Er lauschte dem Wind, und er setzte seine Segel, und er erledigte seine Arbeiten an Bord und war nach ein paar Stunden, am Vormittag, damit fertig, und dann saß er da und las oder zupfte auf seiner Gitarre herum bis zum Mittag. Und dann legte er die Sicherungsleine über die Reling, kletterte hinunter und gönnte sich ein Bad und plätscherte neben dem Boot her durch das klare, warme, saubere unverseuchte Wasser. Und nachmittags …
    Am Nachmittag sah er die Insel da ganz einsam in der See liegen, eine kleine Insel, auf keiner Seekarte vermerkt, drei Palmen und ein Streifen von grünem Pflanzenwuchs und ein wundervoller schneeweißer Strand. Und eine hochgewachsene Frau mit dunklem Haar stand einladend in der sanften lichtdurchströmten Brandung und winkte ihm zu. Sie war nackt bis auf einen Streifen roten Tuchs um die Schenkel. In dem hellen Tropenlicht schimmerte ihre Haut wie Bronze, die schweren Brüste, die kräftigen Schenkel …
    »Paul?«, rief sie ihm zu. »Paul! Ich bin es, Jolanda – komm doch rüber zu mir an Land und spiel mit mir, Paul …«
    »Ich komme«, rief er und legte die Hand an die Pinne. Und fuhr zu ihr und warf den Anker ins seichte Wasser, und dann schwamm er auf ihre erwartungsvollen Arme zu … und… und…
    Und dann zirpte das Telefon.
    Du hast falsch gewählt. Stör mich bitte nicht weiter.
    Aber es hörte nicht auf.
    Verpiss dich! Merkst du nicht, dass ich beschäftigt bin?
    Und es bimmelte weiter und weiter, endlos, unerbittlich. Schließlich streckte er den Fuß aus und schaltete das Gerät mit der Zehe an.
    »Jaah?«
    »Zeit aufzustehen, Carpenter.«
    Aus dem Visor blickte ihm das Albtraumgesicht von Victor Farkas entgegen.
    »Wieso? Es ist doch – noch nicht mal sechs Uhr früh. Ich brauche doch erst in ein paar Stunden im Terminal zu sein.«
    »Ich brauche dich jetzt.«
    Was sollte nun das, verdammt? Eine Änderung im Plan? Carpenter war sofort hellwach.
    »Stimmt was nicht?«, fragte er.
    »Nein, alles läuft glatt«, antwortete Farkas. »Aber ich brauche dich jetzt. Zieh dich an und triff mich in einer halben Stunde. In El Mirador, Speiche D, im Café La Paloma. Es liegt genau mitten im Ort auf der Plaza.«
    Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig mit ihm. Lass ihn nicht aus den Augen.
    »Könntest du mir sagen, warum?«
    »Ich treffe mich dort mit Olmo. Und wie du dir denken kannst, werden wir Wichtiges besprechen. Ich brauche einen Zeugen für unsere Unterhaltung.«
    »Wäre es nicht logischer, den Israeli dafür zu …«
    »Nein! Der wäre der letzte Mensch, den ich dabeihaben möchte. Ich brauche dich. Also, beeil dich, Carpenter. El Mirador, Speiche D. Spätestens um halb sieben. Liegt etwa auf halbem Weg zur Nabe.«
    »Verstanden«, sagte Carpenter.
    Er konnte sich unmöglich weigern. Aber diese plötzliche Programmänderung war doch seltsam. Wenn Farkas ihn bei seinem Schwatz mit Olmo dabeihaben wollte, dann hätte er dies ja eigentlich schon am vergangenen Abend sagen können. Aber sie waren ein Team; und der kritische Zeitpunkt war heute morgen; und abgesehen von Jolandas unguten Gefühlen hatte er doch eigentlich keinen Anlass anzunehmen, dass der Mann, der ihn für dieses Unternehmen angeworben hatte, ihn jetzt bestellte, weil er irgendwie einen Verrat beabsichtigte. Und Farkas sagte, dass Carpenter benötigt werde; ihm blieb keine andere Wahl, er musste gehen.
    Und dennoch … trotzdem …
    Er ist völlig skrupellos, und er ist enorm schnell und stark und er kann in sämtliche Richtungen gleichzeitig sehen. Er kann gefährlich werden.
    Carpenter duschte rasch und zog sich an. Er fühlte sich jetzt wach und aufgedreht, doch ehe er sein Zimmer verließ, schluckte er eine von Jolandas Hyperdex-Tabletten. Das Stimulans würde ihn um etliches wachsamer und reaktionsschneller machen, falls etwas Unvorhergesehenes passieren sollte. Die anderen zwei Pillen steckte

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