Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
im Multikonzernsystem nicht die geringsten Chancen mehr hat. Also hat er sich für ein Leben als Krimineller entschieden, ja? Genau! Aber wann hast du schon mal was von einem Angestellten mit Elferrang gehört, der gefeuert wurde, egal ob mit oder ohne Grund, der das ohne Widerspruch so einfach hingenommen hätte? Aus einem Elferrang wird niemand so einfach gefeuert. Keiner!«
»Aber du hast es ja gerade gesagt, was Carpenter getan hat, war ein sehr gravierender Entscheidungsfehler.«
»War es das wirklich? Er hatte einen klapprigen kleinen Eisbergschlepper und keinen Platz für zusätzliche Passagiere, und da warteten wer weiß wie viele von den Kyoceraleuten darauf, dass er sie an Bord nimmt. Was hättest denn du an seiner Stelle getan?«
»Ich hätte mich von Anfang an nicht so weit auf das Ganze eingelassen«, sagte Farkas.
»Genau. Aber angenommen, es wäre doch passiert?«
»Ja, aber weshalb reden wir jetzt darüber?«
»Weil ich glaube, dass Carpenter, nachdem er seine Karriere ein für allemal endgültig in der Geschäftswelt auf Grund gefahren hat, aber immer noch im Glauben, dass er noch dazugehört, vielleicht versucht, sich bei Samurai wieder in gutes Licht zu setzen, indem er Don Eduardo deinen und meinen Arsch verkauft.«
»Klingt ziemlich weit hergeholt.«
»Für mich nicht«, sagte Enron. »Überleg doch mal. Wer ist der beste Freund von Carpenter, schon seit ihren Jugendtagen? Der Spitzengenetiker von Samurai, Nick Rhodes. Wenn Carpenter im Dreck steckt, rennt er zu Rhodes, und Rhodes, der – unter uns gesagt – ein ziemlich konfuser, schüchterner Lahmarsch ist, der leider eben zum Glück für ihn ein Genie ist, sagt zu Carpenter, nehmen wir mal an, dass der sein Leben nur wieder in die Reihe kriegt, wenn er sich auf die Großindustriespionage verlegt. Und damit wird aus zwei Übeln vielleicht was Gutes: Du erwischst Kyocera oder Toshiba oder so etwas in der Größenordnung bei einer Schweinerei und lässt das so beiläufig die Oberschlitzaugen von Samurai wissen, damit die dem bösen Kerl auf die Patschen schlagen können, und pronto stehst du in der Firma wieder ganz hoch oben auf der Begünstigungsliste, sagt Rhodes zu ihm. Sagen wir, Rhodes sagt ihm, unsere liebe Jolanda hat sich morgen Abend einen gewissen Victor Farkas zum Dinner eingeladen, einen Topfighter von Kyocera; und du tauchst da auch auf und schmeißt dich an diesen Farkas ran, und dabei kriegst du vielleicht raus, dass Farkas für Kyocera irgendeine Gemeinheit plant, weil es zehn zu eins steht, dass Farkas in etwas Scheußliches verwickelt ist, und …«
»Du konstruierst da was ganz Großes aus dem Nichts«, sagte Farkas.
»Lass mich erst mal zu Ende reden, ja? Carpenter taucht also auf der Party auf, und irgendwie kommt ihr ins Gespräch, was von Anfang an geplant war. Carpenter lauert nur auf die Gelegenheit dazu, etwas Brauchbares in die Finger zu bekommen. Und auf einmal fühlst du dich dazu inspiriert und ziehst ihn in unser Projekt hinein, diesen völlig Fremden, einen Kerl, dessen Karriere bei Samurai Schiffbruch erlitt. Und weshalb tust du das? Das weiß nur der Himmel allein. Aber du tust es. Und für Carpenter ist das wie ein Wunder. Er wird Kyocera mit der Rolle bei etwas wirklich gigantisch Scheußlichen bloßstellen, neben dem seine paar in Seenot gelassenen Tintenfischfänger wirken werden wie eine harmlose Kinderfete. Don Eduardos Guardia wird uns verhaften, und dieser Carpenter steht als Held da. Und er bekommt eine neue Identität und rückt zwei Stufen nach oben.«
»Nach meiner Beurteilung besteht nicht die Wahrscheinlichkeit, dass deine Hypothese irgendwie …«
»Moment! Es kommt noch mehr! Wusstest du, dass er auch einer von Jolandas Liebhabern ist? Am Abend, an dem ich diesen ganzen Leuten zum ersten Mal begegnete, war Carpenter ihr Begleiter. Und er hat sie in der Nacht mit in sein Hotel genommen.«
Dieser unerwartete Hieb traf Farkas tief. Doch er parierte, so gut es ging.
»Na und? Sie ist ja nicht gerade wegen ihrer Sexualabstinenz berühmt.«
»Jolanda war in die Sache eingeweiht, bevor du oder ich dazukamen«, sagte Enron. »Sie hat mich dazu gebracht, ist dir das klar? Und jetzt hat sie ihren Freund Carpenter da ebenfalls mit hineingeschmuggelt, weil der in der Luft hängt und sie ihm helfen will. Jolanda weiß, dass Kyocera als einer der Drahtzieher bei diesem Staatstreich mitmischt, und dann findet Jolanda heraus, dass Samurai gerade ihrem Freund Carpenter die Eier abgeschnitten hat,
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