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Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)

Titel: Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Ersatzmanns; er wurde durch das erste Kontaktgespräch gelotst und dann durch alle folgenden Tests. Und nun wurde er nach Cornucopia geflogen, wo die Besatzung auf ihre Reise ins Unbekannte vorbereitet wurde.
    »Da! Schaut mal!«, sagte jemand in der anderen Reihe. »Da ist dieses Habitat, das explodiert ist. Also, die restlichen Trümmer.«
    Carpenter schaute nicht hin. Er wusste: Über den ganzen L-5-Gürtel verstreut schwebte eine riesige Menge von Trümmern, die Reste von Valparaiso Nuevo kreisten wild und willkürlich umher, und die Säuberungsteams würden noch monatelang Leichen einsammeln und versuchen, die größten Trümmerstücke herumzuwuchten und auf Bahnen zu lenken, die sie zur Sonne bringen würden, ehe ihre Orbits sich verkleinerten und sie auf die Erde fallen würden. Aber er wollte das nicht sehen.
    Er schaute lieber zur anderen Seite. Zurück und nach unten, wie ein Landstreicher: heim zur Erde.
    Und wie schön sie war!
    Ein vollkommener blauer Ball, hell strahlend, von Bändern von Weiß bedeckt. Die von der Menschheit zugefügten Verletzungen waren nicht sichtbar. Aus dieser Entfernung waren der Dreck, die Zerstörung, die Fäulnis nicht mehr wahrnehmbar. Nichts mehr zu sehen von den öden neuen Wüstengürteln, wo noch vor etlichen Generationen fruchtbares Ackerland gewesen war, von den dampfenden pilzartig wuchernden Wäldern in den von Menschen verlassenen Städten, nichts von den untergegangenen Küstenlinien, nichts von den Giftklumpen in den Meeren, nichts von den farbenprächtigen Pollutionsstreifen in der Atmosphäre, nichts von den endlosen langen Meilen ausgedörrten, verbrannten Ödlands, durch das er auf seiner fieberhaften Flucht nach Chicago und zurück gekommen war … Nein, von hier oben, von außerhalb der Stratosphäre war die Erde einfach hinreißend und überwältigend schön.
    Eine wunderschöne Welt. Ein Juwel von einem Planeten.
    Was für ein Jammer, dachte Carpenter, dass wir das so versauen mussten! Dass wir in einer grandiosen Orgie von Dummheit jahrhundertelang unser eigenes Haus, unser eigenes Nest zur Kloake gemacht und unsere wundervolle und vielleicht einzigartige Welt in einen Ort des Schreckens verwandelt haben … Und der fährt nun fort in seiner eigenen Umgestaltung, und mit einer Macht, die sich unserer Kontrolle entzogen hat, so dass uns nun kaum etwas anderes übrigbleibt, als uns selber ebenfalls zu verändern, wenn wir da weiter am Leben bleiben wollen.
    Welche anderen Gefühle konnte man schon haben, wenn man auf diesen blauen Kuller hinuntersah, der so scheinbar vollkommen war, und wenn man daran dachte, was für ein Paradies er einst gewesen war und was der Mensch daraus gemacht hatte … außer Wut, Schmerz, Empörung und eine verzweifelte Beklommenheit? Und was hätte einer sonst tun sollen, als sich heulend und schreiend an die eigene Brust zu schlagen?
    Und trotzdem … und dennoch …
    Du musst es langfristig sehen, befahl er sich.
    Die Beschädigung war nur eine temporäre. Alles würde wieder in Ordnung kommen. Natürlich nicht so schnell. Es gab Leute, die sagten, der Planet Erde ist schwer verwundet; schön, irgendwann würde der Planet wieder gesund werden. Andere sagten, der Planet ist nur besudelt; schön, wenn das so war, würde der Planet eben eine gewisse Zeit benötigen, um sich zu reinigen. Aber das würde die Erde tun. Ganz bestimmt. Alles würde wieder in Ordnung kommen. Und wenn es hundert Jahre, tausend, eine Million Jahre dauern sollte – die Erde würde sich wieder selbst reinigen. Der Planet hat immens viel Zeit – wir nicht, dachte Carpenter, aber der Planet hat sie. Das Leben würde weiterbestehen. Nicht unbedingt so, wie wir es kennen, aber Leben in irgendwelcher Form. Und wenn wir auf der Erde durch eine andere Lebensform ersetzt werden müssen, weil wir so miserable Verwalter des uns anvertrauten Gutes waren, warum nicht? Warum denn nicht? Die eine Art versagt, irgendwann tritt eine andere an ihre Stelle. Das Leben ist hartnäckig. Das Leben lässt sich nicht unterkriegen.
    »Passagiere nach Cornucopia, bitte bereitmachen zum Andocken«, verkündete eine Stimme aus dem Lautsprecher.
     
    Dann tauchten die blitzenden Speichen des Forschungssatelliten von Kyocera auf. Carpenter verschwendete einen kurzen Blick dahin, gleichgültig. Er sah immer noch zurück auf die Erde, mit einem Gefühl, wie er selbst fand, von Hilflosigkeit und tiefer Erkenntnis.
    Und dann bekam er wie in einer Vision eine flüchtige Vorstellung von der

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