Der heiße Himmel um Mitternacht: Roman (German Edition)
Rhodes oft zu ihm gekommen, hatte ihn um Rat gefragt und um so etwas wie Schutz vor seiner Neigung, sich in seinen eigenen Gedanken zu verirren, bei Carpenter zu finden. Und obwohl er jünger war, hatte er sich stets als der ältere von ihnen beiden gefühlt und besser gerüstet, mit alltäglichen Problemen zurecht zu kommen. Rhodes verstrickte sich immer gern in schwierige, von ihm selbst produzierte moralische Fragen – Mädchen betreffend, sein erwachendes politisches Bewusstsein, seine Lehrer, seine Erwartungen und Pläne für seine Zukunft, tausend Probleme –, und Carpenter, in seiner pragmatischen direkten Art, hatte es fertiggebracht, den älteren Freund durch die Irrgärten zu steuern, die dieser immer wieder um sich herum zu schaffen gezwungen schien. Und jetzt war Rhodes ein berühmter Wissenschaftler, genoss bei den Schwellschädeln der Firma hohes Ansehen, war unaufhaltsam in steilem Aufstieg begriffen, verdiente wahrscheinlich das Zehnfache; doch Carpenter spürte, dass Rhodes innerlich noch immer so ziemlich der gleiche war wie in ihrer Jugend. Ein großer hilfloser Junge, der durch eine Welt stolperte, die für ihn immer ein wenig zu kompliziert war.
Er fand es angebracht, zu einem etwas leichteren Gesprächstoff überzuwechseln. Carpenter fragte: »Und wie steht's mit deinem Privatleben? Du hast doch nicht etwa wieder geheiratet?«
Sofort erkannte er seinen Fehler. Blödmann!
»Nein.« Es war nicht zu übersehen, wie stark die Frage Rhodes zusetzte. Carpenter erkannte zu spät, dass das Scheitern seiner Ehe, das ihn vor acht Jahren so tief getroffen hatte, für Rhodes noch immer eine offene Wunde war. Rhodes hatte seine Frau schrecklich geliebt, und als sie ihn verließ, hatte ihn das schrecklich niedergeschmettert. »Ich habe eine Beziehung. Eine ziemlich schwierige. Schöne intelligente Frau, sexy, sehr gebildet. Wir sind nicht immer einer Meinung.«
»Welche Partner wären das schon?«
»Sie ist Radikalhumanistin. Alte Tradition in San Francisco, du weißt ja. Sie verabscheut meine Arbeit, fürchtet sich vor den möglichen Auswirkungen, würde es am liebsten sehen, wenn unsere Labors geschlossen würden, etc., etc. Nicht etwa, dass sie Alternativen anzubieten hätte, aber sie ist trotzdem dagegen. Reaktionärer Trip reinsten Wassers, komplette laienhafte Wissenschaftsfeindlichkeit, absolut mittelalterlich. Und trotzdem haben wir es fertiggebracht, uns zu verlieben. Abgesehen von der Politik verstehen wir uns ziemlich prächtig. Ich fände es schön, wenn du sie mal kennenlernen könntest, solange du hier in der Stadt bist.«
»Das können wir doch sicher irgendwie arrangieren«, sagte Carpenter. »Ich würde sie sehr gern sehen.«
»Ich fände es auch nett.« Rhodes überlegte einen Moment. »He, wie wäre es mit heute Abend? Isabelle und ich müssen zu einem Dinner mit einem von diesen Plagegeistern, einem israelischen Journalisten, der mir indiskrete Fragen über meine Arbeit zu stellen beabsichtigt. Ich könnte dich irgendwo in der City mitnehmen, so gegen viertel vor acht. In deinem Hotel, oder wo immer du meinst. Wie sieht dein Zeitplan aus?«
»Ich muss um halb vier wieder drüben in Frisco und im Samurai-Office zurück sein, um Indoktrinationsmaterial abzuholen«, sagte Carpenter. »Das dürfte bis fünf dauern. Danach habe ich nichts vor.«
»Du magst also mitkommen?«
»Warum nicht? Ich wohne im Marriott Hilton in China Basin. Weißt du, wo das ist?«
»Klar.«
»Aber hör mal. Wenn es sich da um ein Interview handelt, bist du sicher, dass ich euch da nicht störe?«
»Es könnte sich eventuell als ganz nützlich erweisen, wenn das so wäre. Um die Wahrheit zu sagen, ich hab eine Scheißangst, dass ich dem Mann Sachen erzähle, die ich nicht sagen dürfte. Und der ist wahrscheinlich verflixt geschickt darin, sie einem aus der Nase zu ziehen. Wenn Freunde dabei sind, wird das Gespräch lockerer. Je mehr, desto besser, denke ich mir, um zu vermeiden, dass die Sache zu sehr in die Tiefe geht. Deshalb nehme ich ja Isabelle mit. Und nun dich.« Rhodes setzte sein Glas ab und warf Carpenter einen neugierigen Blick zu. »Übrigens, wenn du möchtest, könnte ich dir für den Abend eine Partnerin besorgen. Eine Freundin von Isabelle, sehr attraktive, ein bisschen verrückte Person. Sie heißt Jolanda Bermudez. Tänzerin, oder Sängerin, oder beides.«
Carpenter lachte glucksend. »Bei meinem letzten Blind date war ich dreizehn.«
»Ich erinnere mich. Wie hieß die doch gleich?
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