Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
Es geht ihr nicht gut. Ihr Kopf funktioniert nicht mehr.«
    »Sie ist bestens drauf«, sagte Murdy.
    »Sie ist bestens drauf«, sagte auch Ronnie, als sie ihn endlich erreichte.
    Frustriert und verärgert rief sie Raymond in Stuttgart an, und der sagte: »Sie ist bestens drauf.«
    »Sie ist nachts im Nachthemd draußen rumgewandert!«
    »Das haben viele gemacht. Es war Karfreitag, die Leute haben getrunken.« Dann fing er übergangslos mit amüsiert glucksender Stimme an, eine lustige Geschichte zu erzählen. »Habe ich dir mal davon erzählt, wie ich mich mitten in der Nacht aus meinem Hotelzimmer ausgeschlossen habe? Ich dachte, es ist die Tür zum Bad, stattdessen bin ich raus auf den Flur gegangen, und die Tür ist
hinter mir zugeschlagen. Dann war da ein italienisches Paar, die kamen aus dem Aufzug und haben mich gesehen, nackt wie ich war, mit freischwingendem Schwanz, und die Frau, die übrigens sehr gut aussah, sagte –«
    »Verdammt, kannst du mal die Klappe halten?«
    »Ich will ja nur sagen«, fuhr er mit verletzter Stimme fort, »bei Mum ist das ganz ähnlich.«
    »Es ist überhaupt nicht ähnlich. Sie muss zum Arzt.«
    »Wenn du meinst.«

    Ellen bat Lydia, mit ihr nicht zu Dr. Buddy Scutt, dem praktischen Arzt in Boyne, zu gehen. »Du wirst ihn beleidigen, und ich muss hier in der Stadt leben.«
    »Ich werde ihn nicht beleidigen.«
    »Doch. Du bist so. Du kannst nicht anders.«

    »Herein, kommen Sie herein!« Dr. Buddy Scutt begrüßte Lydia und ihre Mutter mit einem Wohlwollen, das Lydia als unprofessionell empfand. (Ellen und Buddy spielten donnerstagabends im Condemn’d Man im selben Quizteam.) Buddy zog seinen Stuhl zur Patientenseite seines Schreibtischs, so dass sie zu dritt in einem kleinen Kreis saßen und ihre Knie sich beinah berührten. Viel zu anbiedernd für Lydia.
    Sie räusperte sich in dem Bemühen, eine ernstere Atmosphäre zu schaffen. »Sie haben bestimmt davon gehört, dass die Polizei Mum mitten in der Nacht nach Hause gebracht hat.«
    »Es war Schlafwandeln«, sagte Ellen. »Buddy, ich bin im Schlaflosgegangen.«
    Buddy nickte Ellen zu, mit einer Miene, die besagte:
»Wir lassen das junge Ding mal reden, und dann setze ich ihr den Kopf zurecht.«
    »Aber es gibt andere Anzeichen. Sie stellt die Milch in die Mikrowelle, sie vergisst ganze Gespräche –«
    »Und Ihnen passiert so etwas nicht, oder?«
    »Nein, aber – es tut mir leid, Mum«, sagte Lydia. »Wirklich, es tut mir leid.« Lydia wusste nicht, wie Ellen diese Demütigung empfand, aber sie selbst war überrascht, wie schwer es ihr fiel. Unvertraute Gefühle – Anteilnahme, zärtliche, schmerzliche Liebe – verschlugen ihr fast den Atem. »Könnten Sie meine Mutter für einen Scan überweisen?« Lydias Internet-Recherche empfahl das. »Zu einer MRT-Untersuchung?«
    »Wozu? MRT-Untersuchungen kosten ein Vermögen, und Ihrer Mutter fehlt nichts.«
    »Ich bezahle dafür.«
    »So funktioniert das nicht. Man kann nicht einfach so eine MRT-Untersuchung machen lassen. Es gibt eine lange Warteliste. Nur jemand, der krank ist, sollte dafür angemeldet werden.«
    »Aber sie ist krank. Entschuldige bitte, Mum.«
    Buddy Scutt schüttelte den Kopf. »Ihrer Mutter fehlt nichts. Ich kenne sie mein Leben lang.«
    Aber was bedeutete das? »Wenn Sie einen Patienten Ihr Leben lang kennen, dann kann er keinen Krebs bekommen?«
    »Habe ich Krebs, Lydia?«
    »So habe ich das nicht gemeint, Mum. Du bist einfach ein bisschen … senil, vielleicht.«
    »Senil, also ich bitte Sie!«, rief Buddy. »Wenn ich zum Zug muss, wen rufe ich an? Ellen Duffy.«

    »Was das Taxifahren angeht«, sagte Lydia mit Unbehagen. »Ich bin mir nicht sicher, ob sie fahren sollte.«
    Das auszusprechen, war Lydia unglaublich schwergefallen. Wenn Ellen nicht mehr Auto fuhr, musste sich jemand anders um ihren Lebensunterhalt kümmern. Eine neue Welt voller Sorgen tat sich vor ihr auf.
    »Fragen wir doch die Betroffene. Ellen, hast du irgendwelche Bedenken?«
    »Ach, klar, ich werde einfach alt«, sagte Ellen.
    Aber Lydia bemerkte das kleine Flackern in Ellens Blick. Ellen wusste, dass etwas nicht in Ordnung war, aber wie alle anderen auch – Murdy, Ronnie, Raymond und Buddy hier – wollte sie nicht wissen, was es war.
    »Sie haben gehört, was Ihre Mutter sagt. Im Wartezimmer sitzen viele Menschen, die wirklich krank sind, Sie sollten nicht länger meine Zeit verschwenden.«
    »Schicken Sie sie doch bitte für einen Scan ins Krankenhaus, dann wissen wir

Weitere Kostenlose Bücher