Der hellste Stern am Himmel
Wohnung betrat und die Stille bemerkte.
»Noch nicht zu Hause, vermutlich. Komm rein.« Seine Hand deutete zum Wohnzimmer. »Du kennst dich ja aus.«
Nichts hatte sich verändert – die handgewebte Decke auf dem Sofa, die tibetanischen Wandteppiche, der marokkanische Teppich auf dem alten Holzfußboden, Sitzsäcke, Steinguttöpfe, eine Lavalampe und die Gitarre in der Ecke. Zeug und Staub und Tabakkrümel überall.
»Hast du noch dieselben –«
» – Mitbewohner? Nein. Marta ist wieder nach Chile gegangen, und Holly macht eine Weltreise. Jetzt wohnen zwei Türken hier. Vielleicht lernst du sie noch kennen.«
Sie hatte nicht vor, länger als eine Stunde zu bleiben, aber warum sollte sie über das Weggehen sprechen, wenn sie gerade erst gekommen war? Er strahlte und war froh, sie zu sehen.
»Was zu trinken?«, fragte er.
»Ja, gern. Tee, bitte.«
»Nein, nein. Was Richtiges. Schließlich heiratet meine frühere Freundin nicht jeden Tag. Hier ist ein Bier.«
Er brachte zwei Flaschen Dos Equis und setzte sich neben sie aufs Sofa. »Auf unsere Freundschaft.« Sie stießen mit den Flaschen an.
»Auf unsere Freundschaft«, wiederholte sie.
Sie tranken schweigend. »Gute Flitterwochen?«, fragte er.
»Fantastisch!« Im gleichen Moment wünschte sie sich, sie hätte nicht so begeistert geantwortet.
»Malaysia, habe ich gehört. Erzähl mir davon.«
»Also –«
»Deutlich sichtbare Militärpräsenz?«, fragte David.
»Nicht, dass ich sie bemerkt hätte«, antwortete Maeve aufrichtig.
»Wirklich nicht?« Er klang überrascht. Sogar enttäuscht. Sie dachte, dass er nur zu gern eine Geschichte gehört hätte von faschistoiden Sturmtrupps, die Hindus verprügelten, weil sie einer Kuh auf der Straße den Vortritt ließen. Es tat ihr leid, dass sie nicht damit dienen konnte.
Er wechselte die Richtung. »Aber der Islam sitzt da fest im Sattel, oder?«
»Wirklich, David, ich weiß es nicht. Manche der Frauen waren verschleiert, andere nicht.«
»Interessant.« Nachdenklich tippte er sich mit den Fingern ans Kinn. »Es wird sich bitter rächen, aber im Moment schafft Malaysia die Gratwanderung.«
Sie wusste, welchen Grat er meinte, nämlich den zwischen dem amerikanischen Imperialismus und dem fundamentalistischen Islam. Auch ihr war Weltpolitik wichtig, aber plötzlich wurde ihr klar, dass David kein Interesse an positiven Deutungen hatte. Eigentlich wollte er, dass alles möglichst schlecht war.
»Ich habe dich vermisst, Maeve.« Er streckte die Hand aus und fing an, sich eine ihrer Locken um den Finger zu wickeln. Sie rührte sich nicht. Es fühlte sich falsch an, aber sie war so grausam gewesen, dass sie ihn nicht noch mehr verletzen konnte.
»Ich hoffe, wir können Freunde sein, David.«
»So wie früher?«
»So wie früher, ja! Und wenn du Matt besser kennenlernst, wirst du ihn mögen.«
Völlig unerwartet beugte David sich plötzlich vor und machte Anstalten, sie zu küssen. Rasch drehte sie den Kopf zur Seite, so dass sein Mund auf ihrem Ohr landete. »Es tut mir leid, David, aber das können wir nicht tun.«
Er schmiegte sich an ihren Hals, und sie sagte: »Entschuldige, David, ich glaube, ich muss jetzt gehen.«
»Aber du hast dein Hochzeitsgeschenk noch nicht gesehen.«
Sie stand auf. »Das macht nichts. Du kannst es mir irgendwann anders geben. Entschuldige bitte, aber ich muss jetzt gehen.«
»Du brauchst keine Angst zu haben.« Er schien überrascht und verletzt. »Nach allem, was du mir angetan hast, möchte ich dir einfach ein Hochzeitsgeschenk übergeben.«
»Ich weiß, aber –«
»Nun komm schon, sieh es dir an.«
»Warum? Wo ist es denn?«
»Da drin.« Er zeigte auf sein Schlafzimmer.
»Nein … nein, David«, sagte sie stockend. »Bring es doch einfach her.«
»Das geht nicht, dazu ist es zu groß. Komm doch rein.«
»Entschuldige, David, aber das geht einfach nicht …«
Er seufzte schwer. »Was meinst du, wie ich mich jetzt fühle?« Er sah sie mit traurigen Augen an. »Ich tu dir nichts. Komm schon, es ist echt cool, es wird dir gefallen.«
»Also gut.« Schließlich war es David. David .
Als er die Schlafzimmertür langsam aufmachte, sagte er: »Mach die Augen zu.«
Sie spürte seine schweren, heißen Hände auf ihren Schultern, als er sie nach vorn schob.
»Was soll das Ganze?« Sie lachte. »Hoffentlich lohnt es sich.«
SECHS TAGE
Rosie hatte die Augen fest geschlossen. Sie hörte, wie eine Jeans abgestreift wurde, dann das Rascheln von Baumwolle (vermutlich
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