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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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nahm eine Pflanze vorsichtig aus dem Topf. Seine Hände! »Möchten Sie mir helfen, diese Lilien einzupflanzen?«
    »Meinetwegen.«
    »Gehen Sie auf die Knie«, sagte er und sprach ganz langsam. Überrascht warf sie ihm einen prüfenden Blick zu und versuchte festzustellen, ob das anzüglich gemeint war. Sie war eigentlich zu der Einschätzung gekommen, dass er zwar körperlich umwerfend, aber strohdumm war, auf der Grundlage, dass Gott jedem Menschen nur eine gewisse Portion Glück gewährte. Sollte sie sich
geirrt haben? »Wenn Sie stehen, können Sie kaum etwas ausrichten«, sagte er mit ganz und gar unschuldiger Stimme.
    Was sie nicht alles für ihren Beruf tat, dachte sie, kniete sich auf die feuchte Erde und ließ sich die Pflanze in die ausgestreckten Hände geben.
    »Graben Sie ein Loch«, sagte er, und wieder klang es, als würde er vom Sex sprechen. Das bildete sie sich nicht ein, sie war sich sicher. Fast sicher …
    »Gibt es Handschuhe?« Sie wollte nicht, dass Erde unter ihren Nägeln zurückblieb.
    »Keine Handschuhe«, erwiderte er. »Buddeln Sie. Haben Sie keine Angst, sich schmutzig zu machen.«
    Diesmal war die Anzüglichkeit nicht zu überhören. Ihre Blicke trafen sich forschend und spöttisch.
    Er machte sich über sich selbst lustig. Über den Teil in ihm, den Loretta und die anderen Hausfrauen in Pokey in ihm begehrten, den Teil, den Grainne, wie er sah, durchschaute. Er gefiel ihr immer besser. Obwohl ihre Bewunderung rein professioneller Natur war, nahm sie erleichtert zur Kenntnis, dass er nicht dumm war. Wenigstens würde er seinen Text lernen können.
    »Sie sind also gern Gärtner?«, fragte sie. Ohne dass er es wusste, war er mitten in einem Bewerbungsgespräch.
    »Sehr gern!«
    »Jetzt mal ernsthaft«, sagte sie. Sie begriff, dass sie ihn unterschätzt hatte. Darin waren sie sich einig. Aber jetzt mussten sie wirklich ernsthaft reden.
    »Ernsthaft? Sie wollen, dass ich ernst bin? Na gut.« Er seufzte. Er konnte auch ernsthaft sein. Er konnte alles sein, was eine Frau sich wünschte. Wenigstens für
eine Weile. »Ich könnte mir keinen anderen Beruf vorstellen.«
    »Warum nicht?«
    »Blumen, Pflanzen, das sind kleine Wunder. Man steckt eine kleine Knolle in die Erde. Alles drum herum stirbt, und dann, wer hätte das gedacht, zwei Monate oder drei oder fünf Monate später kommen die Sprosse durch das Erdreich. Auferstanden von den Toten.«
    »Sprechen Sie weiter …« Wie sein Gesicht leuchtete! Sie konnte sich genau vorstellen, wie die Kamera das einfangen würde. Fernsehgold!
    »Aber nicht nur, dass man die Welt schöner machen kann – man kann auch sein eigenes Gemüse anbauen.«
    »Ich könnte das nicht. Mein Garten ist nicht größer als eine Streichholzschachtel.«
    »Man braucht nicht viel Platz. Das hier« – Fionn zeigte auf Carmines und Lorettas Garten – »das könnte Ihr eigenes Paradies sein.«
    Grainne empfand diese Vollkommenheit fast als körperlichen Schmerz: Dein eigenes Paradies! So würden sie die Show nennen! Oder vielleicht Dein geheimer Garte n, was eine köstliche sexuelle Anspielung enthielt, so passend, da Fionn so überwältigend attraktiv war. In ihrem Kopf überschlugen sich die Ideen, und als sie damit zu Excellent Little Productions kam, wurde lange darüber diskutiert: Dein eigenes Paradies? Dein geheimer Garten? Das Paradies? Tage wurden mit der Suche nach dem perfekten Titel verbracht, aber es war keine vergeudete Zeit, denn wenn man beim Fernsehen erst den richtigen Titel hatte, war alles andere kinderleicht.

    »Fangen wir an«, sagte Mervyn Fossil und trieb alle zu dem Konferenzraum. »Wir haben schon genug Zeit verschwendet mit …« Er fing einen warnenden Blick von Grainne auf: Beleidige nicht das Talent. Mit Mühe unterdrückte er die Worte diesem Trottel . »Also«, sagte er stattdessen, »machen wir uns an die Arbeit.«
    Doch Fionn blieb stehen, wühlte in der Tasche seines Jacketts und holte einen kleinen Zweig hervor. »Was ist das? Ein bisschen zerdrückt, aber es sieht wie … Baldrian aus, oder?« Er reichte es Mervyn Fossil. »Sieht es wie Baldrian aus, was meinen Sie?«
    Mervyn Fossil wich zurück. »Ich würde Baldrian nicht erkennen, und wenn er mich in die Eier beißen würde.«
    Fionn sah ihn überrascht an. Offensichtlich war er noch nicht vielen Menschen begegnet, die so unfreundlich waren wie Mervyn Fossil. Aber er ließ sich davon nicht beirren. Und auch nicht zur Eile antreiben, denn er griff in eine andere Jackentasche und

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