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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Frau war, bis zu der Stylistin, und die Schuld wurde von oben nach unten weitergegeben: Mervyn gab Grainne die Schuld, und sie gab dem Redakteur die Schuld, der gab dem Leiter der Research-Abteilung die Schuld, der sie dem Mitarbeiter in der Research-Abteilung gab, der sie dem Boten gab, der sie Alina gab. Die Einzige, die nicht vorkam, war die Stylistin, aus dem einfachen Grund, dass sie freiberuflich arbeitete.
    »Und er hat nicht angerufen?«, fragte Grainne Butcher wieder.
    »Ich hätte es Ihnen gesagt, wenn er angerufen hätte.«
    »Keine kesse Lippe. Ja oder nein reicht vollkommen.«
    »Nein«, flüsterte Alina. »Er hat nicht angerufen.«
    Mervyn Fossil kam mit donnernden Schritten in die Halle. »Wo zum Teufel ist er?«
    »Auf dem Weg«, murmelte Grainne. »Geh schon,
geh, mach deine Anrufe, ich sag dir Bescheid, wenn er hier ist.«
    Mervyn, ein untersetzter Tyrann mit Gesichtsbräune aus dem Sonnenstudio, starrte Grainne an und verzog verächtlich den Mund.
    »Geh schon«, sagte Grainne.
    Mit einem stummen, aber vernichtenden Blick ging er wieder in sein Büro. Sobald er die Tür hinter sich zugemacht hatte, fing Grainne wieder an, auf und ab zu laufen.
    »Da ist er! Gott sei Dank!« Ein Taxi war vorgefahren. Grainne rannte zur Tür, drückte dem Fahrer einen Zehneuroschein in die Hand, sagte: »Der Rest ist für Sie«, und zerrte Fionn aus dem Auto. Sie machte den Kofferraum auf und starrte in die dort herrschende Leere. »Wo sind Ihre Sachen?«
    Fionn zeigte auf die Reisetasche über seiner Schulter.
    »Das ist alles, was Sie dabeihaben? Für zwei Monate?«
    »Was brauche ich denn?«
    Da wurde Grainne klar, warum sie ihn so faszinierend gefunden hatte.

    Wer hätte gedacht, dass sie in Pokey, diesem elenden Kaff, auf jemanden wie Fionn stoßen würde? Sie konnte sich gar nicht mehr erinnern, warum sie zu der Taufe von Carmine Junior gegangen war: Sie konnte ihren Bruder nicht ausstehen, sie konnte seine Frau nicht ausstehen, und die Luft von Pokey erst recht nicht.
    Sie hatte mit Atembeklemmungen in der Küche ihrer Schwägerin gesessen und die Minuten bis zu ihrer Abreise gezählt, als Fionn eintrat, um in Lorettas Garten
zu arbeiten. Grainne warf einen Blick auf sein Haar, den Kiefer, die Hände, groß wie Spaten, und spürte dieses gewisse Kitzeln – so selten und so köstlich.
    »Von welchem Planeten kommt er?«, fragte sie Loretta.
    »Er wohnt hier.«
    »Seit wann?«
    »Schon immer.«
    »Ich kann mich nicht an ihn erinnern.« Wenn sie ihn gekannt hätte, wäre sie vielleicht nicht so eilig weggezogen.
    »Vielleicht hast du ihn gekannt. Er ist mit seiner Mutter hergezogen, als er zwölf war, so ungefähr. Sie war völlig überfordert mit ihm, die Arme. Er war nicht zu bändigen, sehr wild als Teenager, bis die Churchills sich seiner angenommen haben. Sie haben ihn adoptiert. Nein, er war ihr Pflegesohn.«
    »Wer? Ach, die reichen alten Leute in dem großen Glaskasten unten im Tal?«
    »Ja, die. Giles ist vor ein paar Jahren gestorben, und Jemima, seine Frau, ist nach Dublin gezogen.«
    Ganz unvermittelt schoss Grainne die Erinnerung an eine schöne, verwirrte Frau durch den Kopf, die im Supermarkt nicht für ihre Einkäufe bezahlen konnte. Das war Angeline, Fionns Mutter. »Ja, natürlich, an die Mutter erinnere ich mich!« Dann erinnerte sie sich an Fionn. Sein Leben in Pokey hatte sich mit Grainnes für nur ungefähr ein Jahr überschnitten, bevor sie mit siebzehn nach Dublin abgehauen war. Schon damals war Fionn, der damals vielleicht zwölf oder dreizehn war, ein schöner Junge gewesen, aber er war viel zu jung für Grainne und zu wild.

    Wer hätte gedacht, dass aus ihm so etwas werden würde?
    Loretta, die von Grainnes Dreistigkeit entsetzt war, sah zu, wie Grainne raus in den Garten ging und Fionn fragte: »Kann ich von Ihnen auf die Schnelle etwas über Gartenarbeit lernen?«
    Er war im Begriff, einen Sack mit Erde aufzuheben, und hielt inne. »Und Sie sind wer?«
    »Grainne, Carmines Schwester.«
    »Und Sie möchten etwas über Gartenarbeit lernen?«
    »Richtig.«
    Er schien nicht übermäßig überrascht – wahrscheinlich war er es gewöhnt, dass Frauen sich an ihn ranwarfen, dachte sie.
    »Für Erklärungen habe ich keine Zeit, aber Sie können mit mir kommen«, sagte er. »Sie können mir bei der Arbeit zusehen.«
    Unkompliziert, dachte sie. Gut. Sie ging mit ihm in den Garten hinaus, wo eine Reihe von Pflanzen in Töpfen neben einem Fleck umgegrabener Erde stand.
    Er hockte sich hin und

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