Der hellste Stern am Himmel
eigenes Taxi hatte, teilten sich die Nigerianer zu siebt drei Autos. Wenn ein Fahrer ein Spray mit Zedernaroma versprühte, ging das alle etwas an.
»Ich mag am liebsten Erdbeertraum«, sagte Odenigbo trotzig, so dass man denken könnte, er entscheide allein.
Sofort brach die Debatte erneut aus. »Erdbeertraum ist abscheulich«, sagte Gilbert.
»Schlimmer als der Geruch von schlechtem Geruch«, sagte Modupe.
»Schlimmer als der Geruch der Fahrgäste!«
»Das haben wir doch schon tausendmal durchgesprochen«, sagte Lydia. »Waldboden ist fein, Gewürzmischung auch, alle anderen sind eklig. Ende. Und wer möchte mir jetzt einen Drink spendieren?«
Es wurde schnell klar, dass Gilbert Lydia wie eine Königin behandelte. Nachdem er ihr in der Kaschemme zwei Drinks ausgegeben hatte, fuhr er mit ihr zu sich nach Haus, in ein großes, altes, schäbiges Haus, in dem er mit sechs anderen wohnte. In der Küche bereitete er ihr bei lauter Musik ein Abendessen – eine schlichte Pizza. Nicht aufgrund seiner beschränkten Kochkünste, sondern mit
Rücksicht auf ihren schwierigen irischen Gaumen. In der Luft hing noch der Geruch von nigerianischen Köstlichkeiten, die er ihr als Experiment vorgesetzt hatte: scharf gewürzte Austern, Suppe mit Ziegenfleisch, Jollof-Reis. Nichts davon war auf Gegenliebe gestoßen. Die Wörter »ätzend« und »eklig« hingen ebenfalls noch in der Luft. Offenbar erstreckte sich Lydias exotischer Geschmack nur auf Männer.
Sie aß ihre Pizza stumm und konzentriert. Gilbert wollte sich mit ihr unterhalten, aber sie unterbrach ihn barsch: »Still!« Beim Essen ertrug sie keine Ablenkung. Nachdem sie alle sechs Dreiecke verspeist und sich die öligen Finger abgeleckt hatte, schob sie den leeren Teller über den Tisch zu Gilbert, der ihn ins Spülbecken gleiten ließ.
Rechtzeitig fiel ihr ein, »Danke« zu sagen.
Wie es die Hausregeln verlangten, machte Gilbert einen halbherzigen Versuch, mit einem triefenden Lappen den Tisch abzuwischen, wobei kleine Tropfen in Halbkreisen zurückblieben, dann ließ er lauwarmes Wasser über die Teller laufen.
Lydia sah ihm zu. Sie rührte keinen Finger. Wer immer es war, für den sie – mit großer innerer Entrüstung – saubermachte, es war offensichtlich nicht Gilbert.
Sobald die Teller in dem Abtropfständer standen, sagte sie: »Gut. Gehen wir.«
Sie gingen zu einer Party, die in einem höhlenartigen Club mit sehr lauter Musik und sehr trüber Beleuchtung stattfand. Die anderen Gäste waren überwiegend Nigerianer, die Gilbert und Lydia beim Küssen unterbrachen, um Gilbert mit einem rituellen Handschlag zu begrüßen.
Als Lydia die ständigen Störungen und das Sprechen bei lauter Musik leid war, sagte sie: »Was bin ich? Etwa unsichtbar?«, und bestand darauf, dass sie aufbrachen, also gingen sie zurück zu ihm und in sein Bett.
Zwischen ihnen bestand eine starke Verbindung, und körperlich passten sie gut zusammen, aber – das gebe ich zu bedenken – ihre Herzen schlugen nicht im Einklang. Was aber nicht bedeutete, dass sie das nicht eines Tages tun würden. Es gab dafür keine offensichtlichen Hindernisse … abgesehen von den großen Summen, die Gilbert für seine seltsame Bekleidung ausgab.
Lydia schien das im Moment nicht zu stören. Sie lag auf seinem Bett und sah zu, wie er sein korsettartiges Jackett liebevoll in einer Plastikhülle verstaute. »Du bist ein Dandy«, sagte sie.
Das gefiel ihm. »Sag das noch mal.«
»Gilbert Okuma, du bist ein Dandy.«
»Dandy.« Er lachte, und seine Zähne blitzten sehr weiß in seinem dunklen Gesicht. »Kennst du noch andere Wörter?«
Sie mochte seinen Akzent, die gedehnte Aussprache, die kleinen Pausen zwischen den Wörtern.
»Ein Pfau«, sagte sie. »Ein Modenarr? Ein Geck? Ein Schönling?«
Die jungen Leute von Dublin hatten noch ein anderes Wort. Lackaffe. So sagten sie: »Sieh dir den Lackaffen da an! Diese Schuhe! Und der Mantel erst!«
Aber Gilbert machte das nichts aus. Diese Jugendlichen waren ungebildete Bauernlümmel, sie wussten es nicht besser.
Gilbert war ein interessanter Mann, er lebte für den Moment.
Für den Moment …
Aber womöglich sollte sich das bald ändern.
NEUNUNDFÜNFZIG TAGE …
Matt und Maeve aßen genüsslich ein üppiges Mahl mit einer großen Portion Fleisch, danach vertilgten sie große Mengen Schokolade und lagen die ganze Zeit eng umschlungen auf dem Sofa, während sie sich eine Sendung aus der Reihe Mein Haus soll schöner werden ansahen. Es war ein
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