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Der hellste Stern am Himmel

Der hellste Stern am Himmel

Titel: Der hellste Stern am Himmel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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fahren, die sich in ihr Taxi stürzten – ein Gewirr von
nackten Beine mit lackierten Zehennägeln, dazwischen bauschig geföhnte Frisuren – und sangen und weinten und zusammenhanglose Worte vor sich hin murmelten. Aber heute, so ihr Plan, wollte sie selbst eins von diesen Mädchen sein.
    Sie hatte sich die Augen dunkel geschminkt und war auf hohen Absätzen und in einem kurzen Kleid aus dem Haus gegangen. Das Kleid war so kurz, dass Jan mit einer Hand ein Geschirrtuch vor die Augen gehalten und sich mit der anderen Hand bekreuzigt hatte. Andrej hatte sie genau gemustert, aber nichts gesagt.
    »Sag schon«, hatte sie ihn angefahren.
    »Sag was?«
    »Sag, was du denkst. Ich sehe doch, dass du darauf brennst.«
    Er zuckte gleichgültig die Achseln. »Du siehst gut aus.«
    Sie wartete. Da musste noch was kommen.
    »Wie eine Schlampe, aber gut.«
    Zwischen ihnen herrschte Gewitterstimmung.
    »Besser, als würde ich meine weiblichen Reize in der Tiefkühltruhe aufbewahren«, sagte sie.
    Andrej richtete sich auf. »Meinst du Rosie?«
    »Wen kennen wir denn sonst noch, der seine weiblichen Reize in der Tiefkühltruhe aufbewahrt?« Lydia hasste Rosie – man konnte es nicht anders sagen. Das scheue Wesen vom Land, das Rosie spielte, ihre keuschen Röcke und ihre Weißweinschorlen und die soliden Lederstiefel, die sie im Ausverkauf kaufte. Lydia fand im Ausverkauf nichts als Ramsch, und wenn man gute Stiefel entdeckte, dann waren sie, wenn es kalt genug war, dass man sie
tragen wollte, die Mode vom letzten Jahr, und niemand, der auch nur ein Fünkchen Modebewusstsein besaß, würde mit Stiefeln vom letzten Jahr losziehen.
    Lydia hatte sich die Lippen angemalt, Andrej mit Verachtung angeblitzt, was wegen ihres dunkelgrünen Glitzerlidstrichs noch böser aussah, und war gegangen.

    Am Anfang des Abends waren sie zu elft, und die Möglichkeit, dass es ein ruhiger Abend würde, war gering.
    »Geben Sie mir vier Gläser Alkohol«, sagte Lydia zu dem Barkeeper, »egal was, ich lasse mich überraschen.«
    Als ihr Überraschungsgetränk kam (ein Johannisbeer-Daiquiri), sagte sie: »Wir machen heute Abend Komasaufen. Ich meine, wir machen echtes Komasaufen, aber selbst wenn nicht, wäre es Komasaufen, denn zwei Flaschen Magners-Cider zählt heutzutage ja wohl schon dazu.«
    »Kein Wunder, dass wir echtes Komasaufen machen, wenn sie beim normalen Trinken so engstirnig sind«, bekräftigte Shoane, und die anderen waren wie sie der Meinung, dass sie es, wenn man sie schon des Komasaufens bezichtigen würde, auch richtig machen und sich bis zur Bewusstlosigkeit volllaufen lassen konnten.
    »Wir sind genau die Frauen, die sie in den Zeitungen meinen.«
    »Aber wenigstens tragen wir Slips«, sagte Poppy.
    In dem Punkt waren sich die anderen bei Shoane nicht so sicher.
    »Noch vier Gläser hier, oder ziehen wir weiter?«
    Shoane plädierte dafür, ein anderes Lokal aufzusuchen, damit die Leute da auch ihre roten Schuhe bewundern
konnten. Die ganze Nacht zogen sie von einem Pub zum nächsten und hatten viel Spaß, sie taten sich mit anderen zusammen und verloren sie dann wieder aus den Augen. Als sie auf die Sikhs trafen, war es gerade zwei Uhr vorbei, und sie waren nur noch zu viert, Poppy, Lydia, Shoane und Sissy.

    Auf die illegale Vergnügungsfahrt mit dem Viking Splash folgte eine improvisierte Party in dem Hotelzimmer des Trauzeugen der Sikhs, und nachdem der ganze Alkohol aus seiner Minibar vernichtet worden war, zerstreuten sich die Gäste.
    Sissy knutschte mit dem Taxifahrer. Shoane kreuzte um fünf Uhr morgens bei ihren Eltern auf, obwohl sie seit sieben Jahren nicht mehr bei ihnen wohnte – schluchzend und wirres Zeug redend und ohne ihre roten Schuhe. Als Poppy das Bewusstsein wieder erlangte, fand sie Bröckchen von irgendwas in ihrem Haar, die sie bald darauf als Erbrochenes identifizierte – fast mit Sicherheit, so behauptete sie, von oben herab, nicht ihr eigenes. (»Ich mache schreckliche Dinge, aber kotzen gehört nicht dazu.«) Und Lydia wachte im Bett neben Gilbert auf, der mit seinen wunderbaren Händen ihren Körper erforschte und drei mysteriöse blaue Flecken an ihrem linken Schienbein entdeckte.
    Alle waren sich einig, dass es ein toller Abend gewesen war.

SIEBENUNDFÜNFZIG TAGE
    »Normalerweise mag ich keine Hunde, aber bei dir ist das anders. Du bist ein ganz besonderer Hund. Ich vertraue dir, und ich vertraue nicht jedem. Kann ich dir etwas anbieten? Was ist denn das hier? Hundekekse. Nimm zwei, mach schon.

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