Der hellste Stern am Himmel
Maeve vier Tage zuvor ihr Fahrrad abgestellt hatte, parkte Matt sein Auto. Er steckte Geld für zwei Stunden in die Parkuhr und stellte sich dann gegenüber dem Eingang von N. B. Technology hin – für jedermann sichtbar, nicht versteckt, wie Maeve – und beobachtete die Menschen, die aus dem Gebäude kamen, so wie Maeve.
Und da war wieder der Typ, das Hemd mit den fehlenden Knöpfen hing ihm aus der Hose, das lange Haar war ungekämmt, eine Tasche mit ausgefranstem Riemen trug er schräg über der Schulter. Als er Matt erblickte, wurde er blass, und Angst stand ihm ins Gesicht geschrieben, doch im nächsten Moment war sein Gleichmut wiederhergestellt, und er lachte – lachte – über Matt. Das Lachen tönte über die Straße, worauf ein riesiger Zorn in Matt aufstieg und jede einzelne Zelle ausfüllte. Der schlaksige Kerl schlenderte mit betonter
Lässigkeit weiter, und Matt hätte am liebsten eine Mauer mit Fäusten traktiert.
Matt setzte sich wieder ins Auto und schlug sich fünfmal mit den Fäusten auf den Bauch, dann fühlte er sich besser: Sein Zorn verging, und er hatte sich Schmerzen zugefügt. Und das war angemessen, denn es war alles seine Schuld.
… Mich zu fragen, hat gar keinen Zweck, ich weiß gar nichts.
DREIUNDFÜNFZIG TAGE …
»Was soll ich anziehen?«, fragte Conall, der aus Helsinki anrief. Er rief fast jeden Tag an, bevor Katie ins Bett ging.
»Deinen Tom-Ford-Anzug und das Hemd, das ich dir gekauft habe.«
»Das rosa Hemd?«
»Es ist nicht rosa, es ist fliederfarben. Sehr hell fliederfarben. Fast weiß.« Das stimmte nicht, es war mädchenhaft lila, was paradoxerweise die Wirkung hatte, Conall besonders männlich erscheinen zu lassen. Aber es hatte keinen Zweck, ihm das zu erklären, manchmal war es besser, einfach auf etwas zu bestehen. »Und ich habe dir die Krawatte hingelegt, die du tragen sollst. Sie liegt auf deinem Bett.«
»Und ich soll dich um ein Uhr abholen?«
»Vor meiner Wohnung um ein Uhr mittags, damit das klar ist. Ist dein Auto sauber?«
Sie bemerkte ein leichtes Zögern. »Ich lasse es waschen. Sonst fahren wir mit deinem.«
Nein, das kam nicht infrage. Ihr Auto war ganz schön, aber nicht beeindruckend. Nicht wie der Lexus. Man konnte sie oberflächlich nennen, aber sie gingen zu der Hochzeit ihres früheren Freundes. Sie war glücklich, dass Jason glücklich war, und alles, aber trotzdem … sie wollte nicht, dass es aussah, als würde es noch wehtun.
»Und dein Flug?«, fragte sie. »Du fliegst mit Finnair, oder? Ankunft zehn Uhr fünfzehn, Samstagmorgen?« Sie wusste das alles, jede Einzelheit, aber es durfte keine Missverständnisse geben. Es war sehr, sehr wichtig.
»Zehn Uhr fünfzehn.«
»Könntest du nicht schon am Freitagabend kommen, um absolut sicher zu sein, dass du da bist?« Das hatte sie schon mehrmals gefragt, aber sie war so besorgt, dass sie noch einmal fragte.
»Ich bin da.«
»Gut.«
»Ich verspreche es.«
Ein Moment des Schweigens.
»Ich verspreche es. Ich werde dich nicht enttäuschen.«
Ich werde dich nicht enttäuschen . Was konnte er sonst noch tun, um sie zu beruhigen, fragte sie sich. Und wenigstens war er nicht in Manila oder Saigon, wie manchmal, wo es so viele Möglichkeiten gab, dass ein Flug verspätet war oder man seinen Anschluss verpasste. Von Helsinki war es ein Direktflug, kaum zwei Stunden lang. Es konnte nicht schiefgehen.
Conall machte den entschiedenen Versuch, das Thema
zu wechseln, und sagte: »Was steht heute auf dem Kalenderblatt?«
»Warte.« Katie zog das Tagebuch, das Danno und die anderen ihr zum Geburtstag geschenkt hatten, heran. Sie blätterte die Seite für den Tag auf. »Der aufbauende Satz für den heutigen Tag ist: ›Liebe deinen Körper so, wie er ist. Du findest ihn nicht perfekt, und du hast Recht, aber es wird nur noch schlimmer.‹«
»Dein Körper ist perfekt«, sagte Conall leise.
Katie schnaubte, aber er hatte das Richtige gesagt …
Nachdem sie aufgelegt hatte, überlegte sie, ob er wusste, welche Schuhe er tragen sollte. Sollte sie noch einmal anrufen? Besser nicht. Er war unzuverlässig, aber er zog sich immer gut an, und vielleicht hatte sie ihm das Leben schon schwer genug gemacht mit dieser Hochzeit.
Stattdessen beschloss sie, ihren Müll runterzubringen.
DREIUNDFÜNFZIG TAGE …
Fionn stand auf.
»Was hast du vor?«, fragte Jemima scharf.
»… Eh … nichts.« Er setzte sich wieder in den Sessel mit den Häkeldeckchen über den Armlehnen und richtete sein Gesicht mit
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