Der hellste Stern am Himmel
Maeve, als einer aus Galway zählte und Matt, wie David sagte, nichts weiter als ein feiner Schnösel war, wollte es die Ironie des Schicksals, dass Maeve viel mehr mit Matt gemeinsam hatte als mit David. Mit Matt lachte sie, sehr oft sogar, was mit David nicht vorgekommen war, denn der fand die Welt so empörend ungerecht, dass seiner Meinung nach nur empfindungslose und frivole Menschen lachten.
Doch obwohl Maeve und Matt füreinander wie geschaffen waren, hatte Maeve große Schuldgefühle wegen David. Er hatte sie geliebt und war gut zu ihr gewesen, und dass sie ihn öffentlich gedemütigt hatte, plagte sie und erfüllte sie mit Scham. Aus der Sicht ihrer neuen Liebe konnte sie erkennen, was zwischen ihr und David nicht gut gewesen war, und das war viel mehr, als sie sich eingestanden hatte, als sie mit ihm zusammen war. Sie hatte sich so geschmeichelt gefühlt, dass David – der kluge, leidenschaftliche, charismatische David – sie allen anderen jungen Frauen bei Goliath vorgezogen hatte, und sich deshalb nie gefragt, ob David auch derjenige war, den sie in ihrem Leben wollte.
Das wollte sie ihm unbedingt erklären, wollte so sein Leiden mildern, aber David gestattete Maeve keine Erklärungen. Allerdings wäre ihr das auch schwergefallen, dachte Maeve, denn sie wusste nicht, wie es alles passiert war. Erst hatte sie eine Beziehung mit David und fand Matt einfach nur sympathisch, und im nächsten Moment war sie heftig in Matt verliebt, und David war an den Rand gedrängt worden.
Sie hatte David zu einem Gespräch überreden wollen, aber das war unmöglich. Er legte auf, wenn sie ihn anrief,
blockte alle ihre Mails ab und wechselte mit melodramatischer Würde die Straßenseite, wenn er Maeve auf sich zukommen sah. Bei Teambesprechungen machte er dunkle Andeutungen, dass manchen Mitarbeitern nicht zu trauen sei, und als sie ihn einmal versehentlich im Korridor streifte, zischte er: »Rühr mich nicht an.«
Mit seinem angeborenen Optimismus versicherte Matt ihr, dass David drüber hinwegkommen und jemand neues kennenlernen würde, aber Maeve hatte ihre Zweifel daran. David nahm sich die Dinge zu Herzen, und die Eigenschaft, die sie einst so sehr an ihm bewundert hatte – sein leidenschaftliches Aufbegehren gegen Ungerechtigkeiten jeder Art –, schien jetzt wie eine Behinderung. David hegte zum Beispiel immer noch einen Groll gegen Henry Kissinger, weil der den Coup in Chile unterstützt hatte, bei dem Allende gestürzt worden war, obwohl er, David, damals noch gar nicht auf der Welt war.
Natalie hingegen verhielt sich ganz anders. Mit bewundernswertem Pragmatismus akzeptierte sie die neue Paarung Matt ’n’ Maeve von einem Tag auf den anderen. »Ihr zwei –« Sie wedelte mit ihrer schlanken braunen Hand in ihre Richtung – »seht euch doch an, ihr seid das Traumpaar, ihr gehört zusammen. Anfangs hat es mir nicht gefallen, aber was sollte ich tun?«
»Was sollen wir wegen David machen, Natalie?«, fragte Maeve.
Aber Natalie hatte die gleiche optimistische Haltung wie Matt. Leichthin empfahl sie: »Lass ihm Zeit.«
So verging ein Monat, dann ein zweiter, aber David kam nicht drüber hinweg, und Maeve hatte weiterhin Schuldgefühle, und insgesamt schuf es eine etwas beklemmende
Atmosphäre im Büro. Und auch in der Freizeit. Matt wollte die ganze Zeit mit Maeve verbringen und schloss sich glücklich ihren Gewohnheiten an, ob sie nun im Regen Falafel aßen oder im Gogol Bordello herumgeschubst und mit Bier bespritzt wurden oder ob sie immer wieder vom Surfbrett fielen und im kalten Atlantikwasser landeten. Aber das konnte Maeve David nicht antun. Sie hatte ihn so sehr verletzt, da war es nur fair, dass sie ihm ihre Freunde und ihre gemeinsamen Aktivitäten überließ.
Es blieb zu hoffen, dass es nicht für immer so sein müsste, und unterdessen gestalteten Matt und Maeve ein neues Leben, das in einer Mischung aus ihrer beider Lebensstile bestand. Sie gab ihm einen Roman von Barbara Kingsolver zu lesen, und er überredete sie, mit ihm ein Wochenende in einem Wellness-Hotel zu verbringen, wo sie sogar bei einer Paarmassage mitmachte. Und obwohl sie fest geglaubt hatte, dass sie heftige Schuldgefühle bekommen würde, weil die Masseurin eine niedere Arbeit verrichten musste, stellte sie fest, dass die Verabreichung eines großen Trinkgelds half, diese zu beschwichtigen.
Sie musste sich sogar eingestehen, dass das Wochenende höchst erfreulich für sie war. Das Gleiche traf auf Matt und Barbara Kingsolver
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