Der hellste Stern am Himmel
gespielter Aufmerksamkeit auf Jemimas kleines, sehr altes Fernsehgerät.
Schweigend tranken sie ihren Tee, dann stellte Fionn seine Tasse klappernd auf die Untertasse – ein Signal, das eine neue Aktivität ankündigte. Er stand auf und sagte beiläufig: »Ich vertrete mir mal ein bisschen die Beine.«
»Wozu? Setz dich wieder.«
»Ich muss ein bisschen raus, Jemima. Ich bin ein Bursche vom Land, den kann man nicht in die Wohnung sperren. Ich muss mich bewegen.«
»Es ist schon zehn. Auf den Straßen treibt sich jetzt lauter lichtscheues Gesindel herum.«
»Na und?«
»Du ziehst da vielleicht den Kürzeren«, sagte sie. »Ein einfacher Bursche vom Land wie du.«
»Ein paar Minuten nur …« Er war schon an der Tür.
»Sie ist verheiratet«, sagte Jemima laut und deutlich.
»Wer?«
»Du weißt genau, wen ich meine. Maeve.«
Sie machte nicht den Eindruck einer verheirateten Frau, dachte Fionn.
»So wie ich dich verstanden habe, hast du immer einen möglichst weiten Bogen um verheiratete Frauen gemacht.«
Das stimmte natürlich, das würde jeder anständige Mensch tun. Aber Maeve, das war etwas anderes. Er wusste nicht, warum, in welcher Hinsicht, was er wusste, war lediglich, dass es etwas anderes war.
»Du bist so erzogen worden, dass du verheiratete Frauen mit Respekt behandelst.« Jemima wollte erreichen, dass er sich Maeve aus dem Kopf schlug, aber das würde er nicht tun. Das konnte er nicht! Er war verblüfft, wie stark seine Gefühle für sie waren. Den ganzen Tag war sie ihm nicht aus dem Kopf gegangen, ein unablässiges Hintergrundrauschen. Es war das erste Mal, dass eine Frau diese Wirkung auf ihn hatte, und
es war ihm ehrlich gesagt gleichgültig, dass sie einem anderen gehörte. Er wollte sie, und er würde sie bekommen.
»Ich habe das Gefühl … wie soll ich es ausdrücken? Dass sie nicht wirklich verheiratet ist.« Er schüttelte den Kopf und kniff misstrauisch die Augen zusammen. »Dieser Typ, Mark –«
»Er heißt Matthew.«
» – da stimmt was nicht, ein bisschen so, als würde er sie gefangen halten.«
»Hast du den Verstand verloren?«, fragte Jemima, und ihre Augen waren blank wie die eines Vogels. »Weißt du überhaupt, was du da redest?«
»Ich sage dir, Jemima, irgendwas stimmt da nicht.«
»Das ist doch Unsinn! Du suchst nach einer Rechtfertigung für das, was du vorhast. Und das werde ich nicht zulassen.«
»Und wie willst du mich hindern?« Plötzlich war er wieder fünfzehn und sah sie herausfordernd an.
»Ich erlaube dir nicht rauszugehen.«
Sie sah ihn durchdringend an. Er hatte vergessen, wie durchdringend ihr Blick sein konnte. Die unwiderstehliche Kraft, hatten Giles und er es genannt. Er wurde förmlich davon aufgespießt wie von einem Laserstrahl und durch das Zimmer zu seinem Sessel befördert, in den er sich schlaff und verausgabt sinken ließ.
Jemima lächelte ihn höflich an. »Noch eine Tasse Tee, mein Guter?«
Du kannst mich mal mit deinem protestantischen Tee.
»Meinetwegen«, murmelte er.
»Sag mir doch«, sagte Jemima geziert und nahm die
Teekanne, »was hattest du vor? Wolltest du an ihre Tür klopfen und sie bitten, mit dir auszugehen, während der Mann gleich danebensitzt?«
»Ich wollte sie zu den Dreharbeiten einladen«, erwiderte Fionn mit eiskalter Würde. »Beide . Den Leuten scheint so etwas zu gefallen.«
»Ich glaube, sie kommen ganz gut ohne einen Ausflug zu den Studios aus, vielen Dank!«
DREIUNDFÜNFZIG TAGE …
Knapp drei Meter unter Fionn waren Matt und Maeve bei ihrem üblichen Zeitvertreib und sahen sich, während sie auf dem Sofa eng umschlungen lagen, ein Wohnungsverschönerungsprogramm im Fernsehen an. Sie waren richtige Gewohnheitstiere. Jeden Morgen wachten sie um halb acht auf und verzehrten ein üppiges Frühstück mit Porridge und Honig und einer Vitamintablette. Um halb neun gingen sie zur Arbeit, um halb sieben Uhr abends kamen sie nach Hause. Jeden Abend kochten sie ein Essen, meistens irgendwas mit Kartoffeln, danach gab es eine Nachspeise – sie aßen gern Süßes und Gebäck, Cornettos oder Apfeltaschen oder etwas in der Art. Wenn sie satt waren, verknäulten sie sich ineinander auf dem Sofa und sahen sich an, was gerade im Fernsehen lief, und stopften weiterhin Süßigkeiten in sich hinein. Wenn es elf Uhr schlug, zogen sie sich warm an, gingen ins Bett und schrieben den dreifachen Segen des Tages in ihr Notizbuch.
Sie waren füreinander geschaffen, Matt und Maeve.
Trotz der Tatsache, dass David, wie
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