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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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zum Beispiel nicht mehr die
allerbesten. So etwas kann durchaus von Vorteil sein.« Er grinste verschmitzt.
»Da wird ihm so einiges entgangen sein.«
    »Etwa, dass sie
Cothmanns Hure ist.«
    »Sie hat ein gutes
Gespür für Reichtum und Macht.«
    »Blattgerste ist
also reich?« Maria hob den Tiegel an und betrachtete den Inhalt durch ein
Vergrößerungsglas.
    »Arm ist er
zumindest nicht, aber mit uns kann er sich nicht messen.« Er hatte wieder ihre
Hüfte umfasst und küsste schwärmerisch ihren Haaransatz über dem gebeugten
Nacken. »So viel Glück wie wir hat eben nicht jeder. Gott hält seine Hände
wohlwollend über uns. Dank meiner schönen Ehefrau bin ich der angesehenste
Barbier der Stadt, wir wohnen im schönsten Haus am Markt und haben vier gesunde
Kinder. Selbst der Bürgermeister blickt voller Neid auf uns.«
    Maria füllte die
Tinktur in ein kleines rundes Gefäß und verstöpselte es fest. Als sie auf das
Töpfchen in ihren Händen blickte, veränderte sich ihre Miene, und sie wurde
ernst. Seine letzten Worte hatten sie nachdenklich gestimmt. Sie dachte an die
Gerüchte, die vom Rat immer wieder neu geschürt wurden.
    »Nicht nur Cothmann
neidet uns unser Glück, Hermann. Ich bete, dass Gott nie seine Hände von uns
nimmt.« Rasch band sie sich die Schürze ab und küsste ihn zärtlich auf die
Nasenspitze. »Ich werde Blattgerste schnell die Kräuter bringen, Liebster. Und
danach haben wir Zeit füreinander.« Sie schaute ihm tief in die blauen Augen.
Hermann war mit den Jahren männlicher geworden, sein gebräuntes Gesicht breiter
und energischer. Die Veränderung gefiel ihr gut.
    »Du bist ein schöner
Mann, weißt du das?«, gurrte sie. »Und wenn du so weitermachst, kann ich für
nichts garantieren. Dann werden unsere vier Kinder noch viele Geschwister
bekommen.« Lachend griff sie nach dem Töpfchen mit der Medizin und verschwand
durch die Tür.
    Die Straße zur
Heilgeistbauernschaft führte vom Markt durch eine enge graue Seitenstraße. Es
dunkelte bereits, als Maria aufbrach. Da sie den Weg gut kannte, lief sie zu
Fuß und hatte auch keine Magd an ihrer Seite, wie es sonst ihre Gewohnheit war.
Raschen Schrittes bog sie in die Pfaffenstraße, an deren Ende der prunkvolle
Fachwerkgiebel des Scharfrichterhauses leuchtete. Ihr Herz klopfte stärker, so
wie jedes Mal, wenn sie an Davids Wohnhaus vorbeikam. Mit jedem neuen Tag nahm
sie sich vor, ihn zu vergessen, aber auch die Zeit hatte es nicht geschafft, ihn
aus ihrem Herzen zu vertreiben, und so stand er immer noch zwischen ihr und
ihrem vollkommenen Glück.
    Als sie das große
Dielentor der Scharfrichterei passierte, fiel ihr der Abend ihrer Flucht wieder
ein, als sie ängstlich die Stunden bis zu Davids Rückkehr gezählt hatte und mit
jeder verronnenen Stunde die Hoffnung, ihn wiederzusehen, geringer geworden
war. Doch dann stand er plötzlich unerwartet vor ihr in der Tür, Hermann schwer
verletzt auf den breiten Schultern. David selbst war bis an die Hüften verdreckt
und blutete am Kopf, aber nichts an ihm verriet, was geschehen war. Mit einem
leeren Blick entledigte er sich des scheinbar leblosen Körpers und brummte:
»Hier hast du deinen Hermann zurück. Der Ritt zum Grafen ist ihm nicht
bekommen. Doch da du dich in der Heilkunde ja auskennst, wirst du ihn dir
sicher selbst wieder zusammenflicken können!«
    Sein Verhalten
verwirrte sie, hatte sie unfähig gemacht, Fragen zu stellen. Sie vermochte ihm
lediglich die Hände entgegenzustrecken, um sich bei ihm zu bedanken, doch in
seinem Blick hatte etwas Unwiderrufliches gelegen. Ohne ein Wort hatte er sich
umgedreht und die Scharfrichterei verlassen. Erst viel später hatte sie Hermann
in einer Liebesnacht die Geschehnisse jener Nacht entlocken können und
erfahren, dass sich die Brüder nach Ausführung ihres Auftrages auf dem Rückweg
vor dem Gröchtenhof getrennt hatten. Sie hatten sich geeinigt, dass Anton an
Hermanns statt die gräfliche Antwort dem Bürgermeister überbringen sollte, was
ihnen sicherer erschien, da Cothmann nicht über den Weg zu trauen war. Nachdem
Anton davongeritten war, bockte Hermanns Pferd und ging mit ihm durch. Er
übersah einen im Wege liegenden Eichenbaum, stürzte, und als er sich wieder
aufrappelte, stand plötzlich der Scharfrichter mit zweien seiner Knechte vor
ihm. Es gab einen kurzen Wortwechsel, und nachdem sich Hermann zu erkennen
gegeben hatte, ging Meister David auf ihn los und beschuldigte ihn voller Zorn:
»Während Ihr Euch vom Landgrafen

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