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Der Henker von Lemgo

Der Henker von Lemgo

Titel: Der Henker von Lemgo Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Szrama
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Triumphes. Mit der Hinrichtung des beliebten Schulmeisters würde für kurze
Zeit wieder Ruhe und Ordnung in die Stadt einkehren. Das machte ihn nicht nur
zum Sieger, sondern auch zu einem Abgesandten Gottes. Ein selbstgefälliges
Grinsen legte sich auf die hohlen Wangen, bevor er sich wieder dem Volk
zuwandte und mit hochgezogenen Brauen auf die brodelnde Masse unter sich schielte.
Wie die Ratten tummeln sie sich, dachte er, aber er würde ihnen schon noch den
gottgewollten Gehorsam lehren. Mit aller Macht und Härte, die ihm sein Schöpfer
verliehen hatte. Wen interessierte es da schon, ob der unbequeme Beschoren ein
Hexer war oder nicht? Wen, dass er, der Richter, selbst mit ihm in enger
Verwandtschaft stand?
    Selbstzufrieden hob
er den Weinkelch aus Zinn und Rubinen. Doch noch während er sich voller
Vorfreude die Lippen leckte, huschte ein dunkler Schatten über sein Gesicht.
Missmutig blickte er über den Becherrand auf die Beisitzer an seiner Seite. Die
kurze Freude war verflogen. Wie er sie verachtete, die zwei Assessoren in Grau
und Schwarz, die eitel und hoffärtig lediglich die reich geschmückten,
kunstvollen Meisterwerke ihrer Schneider vorführten!
    Als sie seinem
abwertenden Blick begegneten, prosteten sie ihm mit heuchlerischer Ergebenheit
zu. Alles nur Verstellung, dachte er. Wenn sie wüssten, dass er jeden ihrer
falschen Gedanken wie ein Hund erschnüffelte! Er erschauerte unter der
pelzverbrämten Schaube. Die kleinste Unachtsamkeit von ihm genügte, und sie
würden sich über ihn hermachen wie die Hammel über das Gras. Niemandem an
diesem Tisch traute er, niemandem, außer seinem alten Studienkollegen Johannes
Berner, der wie immer die Funktion des Fiskals übernommen hatte. Die
Verhandlung würde er am anderen Ende der Tafel führen, aber noch blätterte er
mit spitzen Fingern in einem der Bücher vor sich.
    Kerckmann beugte den
Oberkörper etwas nach vorn, um besser sehen zu können. Das schwarze Buch? Es
enthielt alle besagten Hexer und Zauberinnen der Stadt. Wonach suchte der
Freund? Die Akte »Beschoren« hatte er ihm doch nach der peinlichen Befragung
übergeben. Doch Berner ließ sich nicht stören und verfolgte aus den
Augenwinkeln heraus jede Bewegung des Verteidigers auf der Gegenseite. Wie zwei
Raubvögel belauerten sich die beiden Kontrahenten über die Brillengläser
hinweg. Dabei war der Defensor schon jetzt seiner Funktion enthoben. Er
verschwendete nur noch seine Zeit hier. Den Rest auf der Empore bildeten die
Schöffen, allenfalls stille Zuschauer, eine Riege aus Brokat, Samt und Seide
mit eingeschränkter Bewegungsfreiheit. Geziert lachten und scherzten sie
miteinander und erwarteten die Ankunft des Verurteilten.
    So viel verstaubte
Eitelkeit versetzte den Richter in Langeweile, die bei ihm noch schlechtere
Laune zur Folge hatte. Der Anblick dieser aufgetakelten Vergänglichkeit war ihm
schon lange zuwider, obwohl er selbst dazugehörte. Um sich abzulenken, wandte
er sich alsbald dem jungen, nach französischer Mode wie ein Edelmann
gekleideten Mann zu, der unauffällig hinter seinen Stuhl getreten war. Sein
Anblick ließ sein altes Herz höherschlagen und besserte seine Laune erheblich.
Der blass geschminkte Mann war gerade erst mit der Kutsche angekommen. Trotz
des feinen Überrocks mit den breiten Spitzenvolants und den wallenden Locken
über dem schmalen Kragen hatte Kerckmann in ihm sogleich den Studiosus Hermann
Cothmann erkannt. Erfreut über das Wiedersehen, bat er ihn, sich zu ihm auf die
Tribüne zu gesellen. Ihm war zu Ohren gekommen, dass der junge Cothmann sich
momentan eine Studienpause gönnte und als Hofmeister an der Küste arbeitete.
Lächelnd bot der Richter ihm die Hand zum Gruß.
    Cothmann musste sich
wie alle großen Menschen weit zu Kerckmann hinunterbeugen, um einen Kuss auf
dessen Seidenhandschuh zu hauchen. Die Hand wachsam am Degenknauf, flüsterte er
mit einem aufgesetzten Lächeln: »Welche Ehre, Ratsherr! Geben Euer
Hochwohlgeboren uns nachher das Vergnügen, die Hinrichtung des Hexenmeisters in
seinem Haus zu feiern?«
    Zufrieden grinste
Kerckmann über das greise Gesicht. Der junge Cothmann war doch ein rechter
Heißsporn! Hatte nur das Saufen und die Weiber im Kopf. Dabei war ihm längst
aufgegangen, dass sich unter dem schwachen Fleisch ein ehrgeiziger Charakter
und ein eiserner Wille verbargen, die nur die nötige Unterstützung brauchten,
um sich günstig zu entfalten. Kerckmann hatte regelrecht einen Narren an
Cothmann gefressen und ihn zu

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