Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Herodes-Killer

Der Herodes-Killer

Titel: Der Herodes-Killer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Roberts
Vom Netzwerk:
sodass sie es kuschelig hatte.
    «Ich habe die Brantwood Road in den Sky News gesehen», sagte Sarah. «Unten auf dem Sofa. Ich habe gezappt, solange ich noch die Augen aufhalten konnte.»
    «Ach ja?», sagte er leichthin, aber in Gedanken war er wieder im Zimmer der alten Dame. Ein geöffnetes Medaillon mit den Gesichtern zweier Kinder und einer Haarsträhne lag auf der Frisierkommode, und unmittelbar hinter ihm im Bett ruhte eine Tote, die niemand vermisst und um die niemand getrauert hatte.
    «Ich hatte eine Idee zu diesem Herodes-Killer. Einen etwas spezielleren Gedanken. Er hasst seine Mutter. Er hasst seine Mutter inbrünstig, aber … Schalte das Licht aus, David.»
    Das Zimmer war voll strukturierter Dunkelheit, Verdichtungen von Schatten. Sarah kuschelte sich an Rosen.
    «Ich hol dich morgen von der Schule ab. So gegen fünf?»
    «Sitzung der Schulstrategiekommission, tut mir leid», antwortete sie.
    «Dann sehe ich dich um zehn morgen Abend. Hättest du dich bloß nicht als Lehrervertreterin wählen lassen.» Er kehrte zu dem zurück, was sie gerade über den Herodes-Killer geäußert hatte. «Er hasst seine Mutter. So viel haben die Kriminalpsychologen auch gesagt.»
    «Aber irgendwo unter dem ganzen Hass, den er für die Frau hegt, die ihn geboren hat, hasst er sich selbst noch viel mehr. Ja, er ermordet diese armen Frauen, aber was er mit den Babys anstellt, ist rituelle Selbstzerstörung. Er tilgt sich selbst vom Angesicht der Erde.»
    «Wenn er sich vom Angesicht der Erde tilgt, was ist dann das Gegenstück zu seiner Handlung?»
    «Was meinst du damit?» Ihre Stimme klang schläfrig.
    «Wodurch ersetzt er sich?»
    «Das ist vielleicht das Erschreckendste. Durch etwas Unmenschliches.»
    «Was dagegen, wenn ich das bei der nächsten Teambesprechung als meine eigene Idee ausgebe?»
    «Haben die Kriminalpsychologen das noch nicht gesagt?»
    «Nein.»
    «Nein?»
    Innerhalb weniger Augenblicke veränderten sich ihre Atemzüge, und sie glitt in den Schlaf. Rosen, dessen Körper schmerzte und der erschöpft, aber aufgedreht war, hätte gerne geschlafen, gewöhnte sich aber an die Dunkelheit. Er fragte sich, wonach der Killer trachtete, und hoffte, dass der nächste Morgen irgendwie einen besseren Tag bringen würde.

[zur Inhaltsübersicht]
    11
    Die Erinnerung an all die Herbstmonate seiner Kindheit, die er in dieser flachen Landschaft verbracht hatte, brachte ein Gefühl der Scham und der Wut mit sich. Bevor die Farmarbeit in Kent voll mechanisiert worden war, war das Hopfenpflücken eine leichte und gutbezahlte Arbeit gewesen. Seine Mutter hatte ihm und seinen Geschwistern das Ganze als einen jährlichen Urlaub verkauft, aber als Rosen älter wurde, weckte es wie so vieles seinen Groll.
    Die Arbeit war monoton, eine Sackgasse, nichts, was Träume nährt. Und jedes Jahr geriet er in die Gesellschaft derselben Wanderarbeiterfamilien, eine ewige Erinnerung an die Von-der-Hand-in-den-Mund-Welt, der er endlich entkommen wollte.
    Im Alter von dreizehn Jahren wusste er mit Gewissheit, dass Fußball und Musik ihm niemals einen Ausweg bieten würden. Harte, befriedigende Arbeit auf der Grundlage einer soliden Bildung waren der Schlüssel zu einem besseren Leben.
    Aber jedes Jahr versäumte er die Schule bis zu den Herbstferien, den ganzen September und Oktober, und von November bis zum darauf folgenden Juli hatte er immer das Gefühl, den Rückstand nicht ganz aufzuholen.
    Der Himmel hatte sich ein bisschen aufgeklärt, und die Sonne zauberte einen verträumten Nebel auf die flache Ebene. Das Kloster St Mark’s lag hinter der nächsten Kurve. Rosen schaltete das Radio ein, Classic Radio. Vaughan Williams’ Version von Greensleeves. Er schaltete es wieder aus und blieb vor der Einfahrt von St Mark’s stehen, von einem ganz sonderbaren Drang überfallen. Kehr um, fahr heim, zieh dich von dem Fall zurück, gib Baxter nach, sortiere Büroklammern, bis du in Pension gehst oder stirbst, was auch immer zuerst kommt.
    Er fuhr die Einfahrt hinunter und parkte vor dem Eingang des Klosters. Niemand empfing ihn, und als er ausstieg, stellte er sich einen Moment lang vor, er sei an einem von allen Menschen verlassenen Ort.
    Er meinte, Hopfen zu riechen, aber dafür war es die falsche Jahreszeit. Dann hörte er eine Stimme.
    «Kann ich Ihnen helfen?» Sie gehörte einem dicken, glatzköpfigen Mann, der vor Anstrengung schwitzte. Er wischte sich die erdverschmierten Finger an seiner Latzhose ab und hielt Rosen eine feuchte Hand

Weitere Kostenlose Bücher