Der Herodes-Killer
wo das Gummiband seiner formlosen Jogginghose seine schmale Taille umfing, war seitlich am T-Shirt ein Loch, groß wie ein Fünfpencestück. Mager und arm , dachte Rosen, arm und mager.
Rosen trat ins Zimmer. Der Duft des Räucherstäbchens überdeckte den Körpergeruch des Priesters und den verfliegenden Schwefelhauch des Streichholzes.
«Aidan, vielen Dank, dass Sie Detective Rosen angerufen haben.»
«Sie selbst haben gestern Abend mit ihm gesprochen.»
«Ein läutendes Telefon in einem leeren Raum. In der Stille der Nacht hätte das Geräusch durch die Wände dringen und Ihre Gebete stören können. Ich habe abgenommen und mit Detective Rosen gesprochen. Ein glücklicher Zufall.»
Er senkte den Kopf und wusch sich das Gesicht mit dem Waschlappen.
Und warum haben Sie nicht mit den anderen zusammen gebetet , dachte Rosen, fragte aber: «Sie joggen regelmäßig, Father?»
«Nur ein, zwei Stunden jeden Morgen.»
«Hätten Sie gerne einen Tee, Detective Rosen?», fragte Aidan. «Oder vielleicht einen Kaffee?»
«Aidan, wir kommen in ein paar Minuten zu Ihnen in die Küche», sagte der Priester, und Rosen fragte sich, wer eigentlich das höherrangige Mitglied der Gemeinschaft war.
«Wie Sie wollen, Sebastian.»
Aidan schloss die Tür und ging mit schnellen Schritten davon. Es klang ganz nach jemandem, der nur zu gerne anderswo sein wollte.
Auf der Haut des Priesters zeichneten sich tiefe, weiße Linien ab, Narben, die durch den feuchten Fleck auf seinem T-Shirt hindurchschimmerten. Rosen ließ die Augen über Sebastians muskulöse Arme gleiten. Hier war nichts. Nur zwei nicht zusammenpassende, sonderbar altmodische Schweißbänder an den Handgelenken, und an den Füßen Turnschuhe, die nicht zum selben Paar gehörten.
«Ich hoffe, der heilige Rauch stört Sie nicht. Es ist ein kleines Zimmer, in dem es dumpf riecht, wenn ich nicht räuchere. Irgendjemand, ein besonderer Schlaukopf, hat die Fensterrahmen gestrichen, und sie sind festgeklebt und lassen sich nicht öffnen.»
Sebastian trocknete sich das Gesicht an einem Handtuch ab und setzte sich aufs Bett.
«Ich besitze keinen Stuhl.»
Das Bett war also die einzige Option, wollte Rosen nicht verlegen dastehen und versuchen, nicht auf das Gesicht des Priesters hinunterzustarren.
Er setzte sich aufs Bett. Auf dem Boden zu seinen Füßen lag mit der Rückseite nach oben ein glänzendes DIN-A4-Blatt, in dessen Ecken Blu-Tack klebte. Ein Bild für die nackten Wände? An der Wand zwischen dem Bett und dem Waschbecken waren Blu-Tack-Spuren zu sehen; die verfärbten Stellen ließen Rosen an die Überreste der alten Dame in der Brantwood Road Nr. 24 denken, chemische Flecken, hinterlassen von jemandem, der im Leben vernachlässigt worden war.
«Sie sehen nachdenklich aus, Detective.» Rosen fühlte sich auch so. «Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Sie David nenne?»
«Überhaupt nicht.»
«Hat Ihre Mutter Sie nach dem hebräischen König benannt?»
«Ich stamme von einer langen Linie säkularer Juden ab, Father. Aber ich bin mit einer Katholikin verheiratet.»
Der Priester schien ihn nicht zu hören.
«Sie haben an Ihrer Schule kein Hebräisch gelernt?»
«An meiner Schule haben wir nicht einmal viel Englisch gelernt, Father.»
«Ich bin jünger als Sie, David. Lassen Sie den Father weg und nennen Sie mich Sebastian, wenn es Ihnen recht ist.»
«Sie sagten, Sie hätten Informationen für mich.»
«Was ist das für eine Welt, in der wir leben.»
Rosen ließ ihm Zeit, aber er sagte nichts mehr, und das Schweigen zog sich in die Länge. Klosterzeit und reale Zeit kollidierten in Rosens Kopf, und sein Geduldsfaden wurde dünn. Er zog ein Diktiergerät aus seiner Tasche.
«Haben Sie etwas dagegen, wenn ich unsere kleine Unterhaltung aufzeichne?»
Nichts. Nicht das leiseste Zucken.
Rosen drückte auf «Aufnahme».
«Datum: 14. März. Uhrzeit des Gesprächs: Acht Uhr fünfzehn. DCI David Rosen befragt Father Sebastian Flint in dessen Zimmer, Zimmer Nummer elf im Kloster St Mark’s bei Faversham in Kent. Weitere Zeugen sind nicht anwesend.»
Die Augen des Priesters funkelten belustigt.
«Würden Sie bitte Ihren Namen nennen? Für die Aufzeichnung.»
«Father Sebastian Flint.»
«Father, Sie haben mir gestern Abend am Telefon gesagt, dass Sie das Motiv für die Ermordung von vier Frauen und für die Entführung Julia Catons kennen. Ist das richtig?»
«Das ist richtig.»
«Sie haben mir außerdem berichtet, wie der Mörder sich Zugang zum Haus
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