Der Herr Der Drachen: Roman
ihm wegzudrehen.
»Natürlich«, antwortete Prin und hob die Augenbrauen. Und mit einem weiteren unverschämten Grinsen ging er durch den Flur davon.
Balkis starrte voller Angst in Shaans bleiches Gesicht und sah erst auf, als er Schritte hörte und Morfessa und Rorc den Gang herunterkamen.
»Balkis«, sagte Rorc. »Ihr habt sie gefunden?«
»Ja, aber irgendetwas ist geschehen.« Er sah Morfessa an, der Shaan mit besorgtem Ausdruck musterte. Entsetzt fiel Balkis auf, dass der Mann zehn Jahre älter wirkte als noch vor wenigen Tagen. Seine Haut war grau und von Müdigkeit gezeichnet.
»Was ist geschehen?« Morfessa suchte Shaans Gesicht mit den Augen ab.
»Ich weiß es nicht. Sie ist einfach zusammengebrochen.«
Morfessa hob eine Hand und legte sie ihr auf die Stirn, dann riss er sie so eilig wieder weg, dass es völlig unangemessen schien.
Mit ausdruckslosem Lächeln sah er zu Balkis.
»Sie ist völlig in Ordnung, keine Sorge. Komm, ich werde dir zeigen, wo du sie hinlegen kannst, und dann verabreiche ich ihr ein Tonikum.«
»Gut, aber schnell«, sagte Rorc. »Die Führerin braucht dich.«
»Ja«, bekräftigte Morfessa, und er gab Balkis einen Wink, ihm in den Innenhof zu folgen.
Shaan biss die Zähne zusammen und schloss die Augen angesichts des Feuers und der Schreie. Dann streckte sie ihre Hand in die Flammen. Der Schmerz ließ sie wieder in ihren Körper schnellen, und mit bebendem Atem öffnete sie die Augen.
Sie lag auf einem Bett in einem kleinen Zimmer. Wie sie hierhergekommen war, wusste sie nicht. Heißer Schmerz zog eine quälende Spur über ihre verletzte Hand, während Shaan zu einem kunstvollen Deckenmosaik emporstarrte. Schritte ertönten, und sie drehte sich um, als Morfessa die Tür öffnete und den Raum betrat.
»Shaan.« Er lächelte. In seinen seltsam gefärbten Augen funkelte hellwaches Interesse, und er musterte sie prüfend, als er sich auf einem Metallstuhl neben dem Bett niederließ.
»Bin ich in deinem Haus?«, fragte sie.
»Ja. Balkis hat dich hergebracht. Fühlst du dich besser?«
Sie befeuchtete ihre rissigen Lippen. »Geht es Balkis gut?«
»Ja.« Er runzelte die Stirn. »Warum?«
Erleichtert schüttelte sie den Kopf.
»Was ist geschehen?« Morfessas rotfleckige Augen fixierten sie.
»Ich weiß es nicht. Mir ging es plötzlich nicht gut«, antwortete sie, und er nickte leicht, während sein Blick über ihr Gesicht wanderte.
»Warum bin ich hier?«
»Weil du etwas Besonderes bist, aber ich denke, das weißt du bereits.« Der Blick, den er ihr zuwarf, war durchdringend, als ob er genau wusste, was sie zu etwas Einzigartigem machte, während sie keine Ahnung hatte.
»Wovon sprichst du?«
»Ich kann die Müdigkeit in dir spüren, Shaan. Wann hast du zuletzt durchgeschlafen?«
Sie zögerte, aber er beugte sich zu ihr. »Ich kann sehen, dass du schon seit vielen Tagen nicht mehr gut geschlafen hast. Dein Geist ist vor Erschöpfung und Auszehrung getrübt. Lass mich.« Er streckte eine Hand nach ihr aus.
»Nein!« Shaan rollte vom Bett und wich zur Wand zurück, sodass das Bett schützend zwischen ihnen stand.
Er runzelte die Stirn, blieb jedoch sitzen. »Du kannst mich nicht so verletzen, wie es bei Petar geschehen ist«, sagte er, und sie starrte ihn an.
»Wer ist Petar?«, fragte sie mit zitternder Stimme, aber er überging ihre Bemerkung.
»Du musst dir keine Sorgen machen. Ich habe nicht seine Verbindung zum Zwielicht. Oh, ich habe vom Tod des Traumsehers gehört«, sagte er, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah. »Die Seherin der Glaubenstreuen war heute da. Sie sagte mir, was sie herausgefunden hat. Sie hat dich gespürt, Shaan. Du weißt nicht, was du bist, oder?«
Sie schluckte, zu verängstigt, um zu sprechen.
»Du bist der Schlüssel. Du bist diejenige, die das Gefängnis öffnen
kann, in dem der Schöpferstein vor unserer Welt verborgen liegt.«
Sie starrte ihn an, begriff aber nicht, was er da sagte.
»Veila hat dich vor einiger Zeit im Zwielicht gespürt, konnte dich aber nicht erkennen. Sie ist jetzt bei den anderen im Heilungsraum und wird bald hier sein, aber ich wollte zuerst mit dir sprechen.«
»Ich verstehe das nicht.« Shaan drückte sich gegen die Wand.
»Ich will dir helfen, Shaan.« Morfessa stand von seinem Stuhl auf. »Die Glaubenstreuen suchen nach dir, weil sie dich für gefährlich halten. Und sie haben nicht unrecht. Ich glaube auch, dass du das bist oder sein wirst.« Er trat ans Bettende. »Aber ich bin mir nicht
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