Der Herr Der Drachen: Roman
sicher …«
Seine Worte wurden abgeschnitten, als sich plötzlich die Tür öffnete. Das dünne Holz wurde mit einem so mächtigen Stoß aufgeschmettert, dass es an der Wand zerbarst. Der große, dünne Mann, den Shaan im Garten gesehen hatte, stand in der Öffnung.
»Prin! Was tut Ihr hier?«, rief Morfessa.
Aber der junge Mann schenkte ihm keinerlei Aufmerksamkeit. Er hatte nur Augen für Shaan. Er starrte sie an, und sie spürte einen Angststoß in ihren Eingeweiden wie einen körperlichen Hieb. Dort war das, was sie vor dem Tor erahnt hatte. Die Luft um Prin herum schien voller Energie zu sein, und plötzlich fand sie es schwer zu atmen.
»Ich habe dich gespürt«, sagte er mit leiser Stimme. Er kam nicht näher, aber es war, als flüstere er ihr direkt ins Ohr. Sie konnte nicht wegschauen. Sein Blick durchbohrte sie, als ob er sie wortlos riefe und sie zu sich zöge. Und seine Augen! Sie waren ein dunkleres, tieferes Abbild ihrer eigenen.
»Prin!«, sagte Morfessa, und es klang weit weg.
Doch Prin ignorierte ihn auch diesmal. »Endlich bist du zu mir gekommen«, sagte er. Schwindel drohte Shaan zu überwältigen, und sie streckte beide Hände nach der Wand in ihrem Rücken aus. Das konnte nicht sein! Entsetzt schob sie sich von ihm fort. Seine Stimme war die Stimme aus ihren Träumen. Der Boden unter
ihren Füßen schien zu schwanken, und ihr Blickfeld verschwamm an den Seiten. Alles, was sie noch wahrnehmen konnte, waren seine dunklen Augen, die sie wie eine Motte unter einem Netz gefangen hielten.
»Komm mit mir.« Er streckte ihr eine Hand entgegen, und sie merkte, dass sie ihre eigene wie als Antwort hob. Nein, das wollte sie nicht! Sie kämpfte gegen ihren Körper, aber ihre Anstrengungen versiegten, als der plötzliche, überwältigende Drang, in seiner Nähe zu sein, alle Vernunft zunichte machte.
»Prin, hört auf!« Morfessa legte ihm eine Hand auf den Arm, und Prin drehte ihm den Kopf zu, die Lippen aufgeworfen.
»Ich werde dich verletzen, alter Mann.«
Shaan war gestolpert, als er den Blick von ihr abgewandt hatte, und nun, da sie zu Boden sah, bemerkte sie, dass sie einige Schritte in seine Richtung gemacht hatte.
»Shaan, klettere über das Bett zu mir«, sagte Morfessa, ohne seine Augen von Prins Gesicht zu lösen.
»Nimm deine Hand von mir!« Prins Stimme war plötzlich durchdringender geworden und hallte durch den kleinen Raum.
Orientierungslos und mit zitternden Gliedern versuchte Shaan, über das Bett zu klettern, aber Prins Kopf fuhr wieder zu ihr zurück.
»Shaan«, flüsterte er. Sie wimmerte und bemerkte, dass ihre Beine ihr nicht mehr gehorchen wollten.
» Komm zu mir .« Seine Stimme war in ihrem Kopf - genau wie in ihren Träumen - und sie zerrte an ihr und beraubte sie aller Willenskraft. Langsam machte sie einen Schritt auf ihn zu. Sie konnte nicht mehr stehen bleiben. Er streckte eine Hand nach ihr aus, und sie ging zu ihm. Ein Teil ihres Geistes schrie ihr etwas zu, und sie war von ungläubigem Entsetzen erfüllt, als sich ihre Finger ausstreckten, um seine Hand zu berühren.
»Halt!« Mit einem Mal war die Stimme einer Frau zu hören, und Shaan hielt inne. Sie sah, wie Prins Augen schmal wurden, und wie er Morfessa mit einem einzigen Stoß durch den Raum fliegen und gegen die Wand prallen ließ, ehe er sich zur Tür umdrehte.
Eine kleine Frau mit hellblondem Haar stand dort. Sie war winzig im Vergleich zu Prin, aber sie zeigte keinerlei Furcht, als sie ihn unverwandt anstarrte, und ihre feinen Züge waren zornig. »Wer seid Ihr?«, fragte sie.
»Seherin«, zischte Prin, und sein Gesicht verzog sich höhnisch.
»Veila!«, keuchte Morfessa und versuchte, wieder vom Boden aufzustehen. »Nicht …«
»Ruhe! Ich denke, Ihr habt genug angerichtet«, fauchte sie ihn an.
»Wer seid Ihr?«, fragte sie Prin noch einmal.
Er lächelte sie erst an und lachte dann laut auf. »Wisst Ihr das nicht?«, flüsterte er. Dann drehte er sich ruckartig um und machte einen Satz auf Shaan zu. Diese versuchte, ihm auszuweichen, aber er war zu schnell gewesen. Er packte ihre Hand, und Shaan kreischte, als er sie berührte. Es war wie ein Hauch von Feuer und Eis zugleich unter ihrer Haut. Ihr drehte sich der Magen um, und ihr Blickfeld wankte. Ein Geräusch wie eine große Welle spülte durch ihren Kopf, und dann war ihr, als ob sie zerfiele. Sie war nur noch ein Nichts. Schwärze umfing sie, und schließlich flammte ein blendender Blitz auf, und sie war wieder im Zimmer. Prin hielt sie
Weitere Kostenlose Bücher