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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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erstreckte sich der Schatten einer Felsspalte, die alles Licht zu verschlucken schien. Weiter weg glänzten steile Gipfel schwarz und ragten in den Himmel wie das geöffnete Maul einer großen Bestie.
    »Die Schwarzen Berge tragen einen passenden Namen«, bemerkte Attar, der neben Tallis getreten war. »Ich habe hier nie etwas anderes als Dunkelheit und Schatten zu Gesicht bekommen, niemals etwas Lebendiges. Und wenn hier doch etwas existieren
sollte, dann ist es etwas so Dunkles und Schattiges, dass ich davon nichts wissen will.«
    Tallis verschränkte die Arme vor der Brust, um die Kälte abzuwehren, und sah den Krieger an. »Du warst schon einmal hier?«
    Er nickte. »Schon mehrere Male. Die Drachen sagen, dass vor langer Zeit diese Berge von Dschungel überzogen waren, und dass es hier warm und feucht war. Schwer zu glauben, nicht wahr?«
    Als er grinste, blitzten seine Zähne weiß in der Dunkelheit. Tallis nickte, erwiderte aber das Lächeln nicht. Er zitterte, als ein weiterer Luftstoß ihm die Augäpfel auszutrocknen schien. »Ich bin froh, wenn wir diese Gipfel hinter uns gelassen haben.«
    Attar knurrte als Antwort und verschränkte ebenfalls die Arme vor der Brust. Er stellte sich breitbeinig hin, um dem Wind zu trotzen, und starrte hinaus in die Nacht. So verharrte er einige Zeit reglos, und Tallis wollte sich schon umdrehen und weggehen, als er plötzlich zu sprechen anfing.
    »Kannst du sie spüren?«, fragte er leise. Tallis wandte sich ihm zu und wusste, dass er von Marathin sprach. Er zögerte, dann jedoch nickte er und zeigte über ihre Köpfe gen Westen. »Sie ist irgendwo dort drüben.«
    Attar nickte. »Und kannst du sie auch spüren?«
    Tallis’ Herz setzte einen Schlag aus. »Die wilden Drachen?«
    »Ja, hast du sie gespürt, als sie euch angegriffen haben?«
    Er zögerte. »Erwartest du von mir, dass ich sie für dich aufspüre? Bin ich deshalb hier?«
    »Wenn du es kannst.«
    Ich habe gesehen, was du getan hast. Ich weiß, was du bist. Zorn stieg in ihm auf.
    »Ich bin nur mitgekommen, um zu beweisen, dass ich ein würdiger Krieger bin, Attar. Das ist die Abmachung, die ich mit dem Kommandanten getroffen habe. Nicht, dass ich das, was in mir ist - was auch immer das ist -, gegen sie einsetze. Ich weiß nicht, wie ich es in den Griff bekommen soll; das habe ich euch beiden bereits gesagt. Ich kann es nicht kontrollieren, und ich weiß nicht, was es ist.«

    »Du hast Angst davor, es auszuprobieren«, sagte Attar vorwurfsvoll.
    Tallis knirschte mit den Zähnen. »Ich werde tun, was ich zugesagt habe, und nicht mehr.« Er drehte sich um und ging zurück zum Lager. Wut und Angst rumorten in seinem Magen wie verrottetes Fleisch.
    »Tallis?« Jared stützte sich auf einen Ellbogen, als er näher kam, aber sein Freund schüttelte den Kopf.
    »Es ist nichts.« Er wich seinem Blick aus und legte sich hin; dann starrte er hinauf zu den Sternen am schwarzen Himmelszelt.
    Jared blieb, auf den Arm gestützt, schweigend liegen; er heftete die Augen auf ihn und wartete ab. Nach einer Weile seufzte Tallis. »Sie wollen, dass ich die wilden Drachen für sie finde. Ich soll versuchen zu spüren, wo sie sind.«
    »Und? Kannst du das?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht.« Der Zorn war nun verflogen, und er war nur noch müde. »Ich kann Marathin da oben fühlen … Und Shaan. Ich spüre sie noch immer in mir drin, aber …«
    »Du hast Angst.« Jared wiederholte Attars Anschuldigung, und Tallis sah ihn an.
    »Du denn nicht, Jared?«, fragte er leise. »Du warst doch dabei. Du hast sie gesehen … Und du hast mich gesehen.« Er schüttelte den Kopf. »Ich kann mich kaum noch daran erinnern, was ich tat und was ich sagte. Es scheint mir unmöglich zu sein, das noch einmal zu wiederholen. Was, wenn ich es nicht kontrollieren kann? Da ist etwas Falsches in mir, und wenn ich es entfessele …« Der Gedanke, dass er sich diesen Worten und diesem Zorn öffnete - das war zu entsetzlich, um es sich vorzustellen. Aber wenn er es kontrollieren könnte, wen könnte er damit retten?
    »Vielleicht ist es der Weg der Führer, dich auf die Probe zu stellen«, sagte Jared, und Tallis stieß ein bitteres Lachen aus.
    »Die Führer haben uns verlassen, Bruder. Wie sind nicht länger Clanmitglieder. Wir sind etwas anderes geworden.«
    Jared antwortete nicht, und Tallis sah zu, wie Marathin als
schwarzer Schatten über den Himmel segelte. Sie ließ sich absinken und landete mit anmutig angelegten Schwingen am Rand des Plateaus.

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