Der Herr Der Drachen: Roman
Zunächst stolperte sie einige Schritte vorwärts, dann legte sie sich mit dem Rücken zu ihnen hin und wickelte den langen, stachelbesetzten Schwanz um ihren Körper.
Jared schwieg lange, und Tallis glaubte schon, er sei vielleicht in den Schlaf hinübergeglitten, als er plötzlich zu sprechen begann.
»Shila hat mir die Wahl gelassen, verstehst du?«, sagte er. »Ich musste nicht gehen. Ich hätte auch bleiben und hoffen können, dass die Führer einen anderen Weg finden würden, um dich zu retten. Aber Shila sagte, wenn ich mich für diesen Weg entscheiden würde, müsste ich auch mit den Konsequenzen leben. Ein Ausgestoßener zu sein ist eine Konsequenz unserer Handlungen, Tallis, aber das bedeutet nicht, dass wir verlassen sind. Das werde ich nicht glauben. In unserem Herzen werden wir immer Clanmitglieder sein.«
»Ich wünschte, ich könnte das ebenfalls glauben«, sagte Tallis leise.
»Ich werde es für uns beide glauben«, entgegnete Jared. »Aber jetzt schlaf, Erdbruder. Kaa verlangt noch nicht nach dir.«
Es war eine alte Redewendung der Jalwalah, und Tallis spürte einen stechenden Schmerz im Herzen, als er die vertrauten Worte hörte.
Schon bald wurde Jareds Atem tief und gleichmäßig, und in einiger Entfernung schnarchten Attar und Bren leise vor sich hin, doch Tallis fand keine Ruhe. Der flache Boden fühlte sich scharfkantig unter ihm an, und die kalte Luft schmerzte ihn in den Fingern. Er schloss die Augen, aber seine Gedanken kreisten endlos um seine Sorgen. Es dauerte lange, bis ihn schließlich der Schlaf doch noch übermannte.
29
S hila setzte sich aufrecht hin. Schweiß bedeckte ihre Haut, und ihr Herz schlug ihr bis zum Halse. Wieder waren die Führer zu ihr gekommen und hatten ihr Träume voller Vorzeichen und Warnungen geschickt. Shila schob die Felle zur Seite und kroch aus dem Bett. Ihre Finger tasteten in der Dunkelheit nach ihrem Umhang und zitterten, als sie im weichen Pelz versanken. Die Führer waren nicht zufrieden gewesen, und jenseits des Wenigen, was sie Shila gezeigt hatten, hatte die Träumerin ihren großen Zorn gespürt. Über irgendwas waren sie zutiefst besorgt, und sie hatten ihr deswegen eine Botschaft geschickt.
Thadin ächzte und drehte sich im Schlaf, als Shila leise aus ihrer Höhle schlüpfte. Der Tunnel war nur schwach erhellt vom Licht der wenigen Wandlampen, und er erstreckte sich in beide Richtungen; niemand war zu sehen oder zu hören.
Shila wandte sich nach rechts und folgte dem Pfad, der tief in den Brunnen hineinführte. Sie bewegte sich kaum hörbar, und all ihre Sinne waren geschärft, um herauszufinden, ob irgendein Geräusch ihr verriet, dass noch jemand anders wach war. Aber da war nichts. Mitternacht war schon vorbei, schätzte sie, und die meisten schliefen. Das glatte Gestein war kalt, und sie fror an den bloßen Füßen, während sie den Gabelungen und Windungen des Tunnels folgte, der sie zur Mondhöhle brachte.
Diese war nahezu rechteckig und beinahe so geräumig wie die Große Höhle. Die Wände gingen steil nach oben und formten einen Tunnel hoch über ihrem Kopf, der zum Himmel hin offen war. So konnte ein Strahl des Mondlichts auf den Höhlenboden einfallen und Licht spenden, und tief im Innern der Erde war für frische Luft gesorgt.
Von den Wänden der Höhle ging in vier Ebenen übereinander eine Vielzahl von Wohnhöhlen ab, welche durch ein System von aus dem Stein gehauenen Stufen und Strickleitern zu erreichen waren. Shila lief leise über den weichen, sandbedeckten Boden und mied den Lichtkreis in der Mitte. Stattdessen stieg sie eine schmale Strickleiter zu einer Höhle in der zweiten Ebene empor. Dort quoll Licht an den Rändern einer einfach gewebten Matte hervor, die den Eingang verhängte.
Ohne sich bemerkbar zu machen, schob Shila den Stoff zur Seite und betrat die kleine Wohnhöhle. Auf dicken Bodenläufern, mit einer Lampe zwischen sich, saßen Mailun und Irissa. Beide Frauen blickten auf, als sie hereinkam, und Irissa erhob sich ein Stück.
»Träumerin«, rief sie.
»Irissa, ich habe mir gedacht, dass ich dich hier finden würde.« Shila blickte zu Mailun. Die Frau aus den Eislanden zeigte keinerlei Überraschung, ihr Gesicht war ausdruckslos, und ihre Augen blickten traurig.
»Darf ich mich setzen?«, fragte Shila sie.
»Natürlich, Träumerin, du brauchst doch nicht zu fragen.« Mailun drehte sich um, griff nach einem großen, flachen Kissen und legte es auf den Teppich.
»Danke.« Shila ließ sich mit
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