Der Herr Der Drachen: Roman
das Pflanzengestrüpp, und diese Stelle peilten die Drachen an. Dann setzten sie unter heftigen Spritzern am Ufer auf, und ihre Schwänze versanken im Fluss.
Rasch sprang Attar hinunter, und Tallis folgte ihm, nahm Jareds Bündel von Harakas Rücken und watete ans Ufer. Das Wasser war warm, und Schwärme von winzigen Insekten stiegen auf und umschwirrten Tallis. Er schlug nach ihnen, während er seine Last in den Sand nahe der Baumgrenze fallen ließ und in die Dunkelheit spähte. Selbst das, was hinter den ersten paar Stämmen lag, konnte er nicht erkennen; er hatte nur den vagen Eindruck von noch mehr Bäumen.
Er drehte sich um und half Attar dabei, Jared vom Drachen zu heben. Gemeinsam trugen sie ihn zwischen sich und legten ihn vorsichtig auf die Seite im Sand hin. Seine Haut fühlte sich jetzt fiebrig an, und sein Atem ging angestrengt. Tallis sah entsetzt zu Attar empor, doch der Reiter mied seinen Blick.
»Gib ihm Wasser«, war alles, was er sagte, dann ging er zu Marathin und nahm ihr den Sattel ab.
Tallis holte den Wasserschlauch, und mit unsicheren Händen goss er etwas Flüssigkeit in Jareds Mund. Dann befeuchtete er einen Streifen Stoff im Fluss und tupfte seine Stirn ab. Marathin und Haraka stiegen nun, von ihren Sätteln befreit, in den Himmel auf und verschwanden im Dunst. Attar kehrte zurück und ließ sich neben Tallis sinken, sagte jedoch kein Wort.
Sie saßen nebeneinander, und Tallis wischte unablässig Jareds Stirn ab. Die Nacht schleppte sich dahin, und Tallis hatte jedes Gefühl dafür verloren, wie lange sie nun schon ausharrten. Ab und an zuckte Jared, aber er schlug die Augen nicht auf. Irgendwann sah Tallis hoch und bemerkte, dass er nun die Wipfel der Bäume um sie herum erahnen konnte. Beim Morgengrauen waren die Drachen noch immer nicht zurückgekehrt. Hinter ihnen im Dschungel raschelte es, und ein Vogel begann seltsam tief zu tschilpen. Im ersten Licht zeichneten sich rings umher Einzelheiten wie Sand und Zweige ab, und irgendwo brach etwas Großes durch das Gestrüpp.
Tallis spürte plötzlich ein tiefes Rufen in seinem Innern, und er sah auf. »Sie ist zurück«, sagte er, noch ehe Attars Blick zum Himmel hochgeschnellt war. Der dunkle, flügelbewehrte Körper des Drachen stieß einen Moment später zu ihnen herunter. Attar warf Tallis einen scharfen Blick zu, und er wusste, dass er sich verraten hatte. Er hatte Marathins Rückkehr einen kurzen Moment vor dem Reiter gespürt. Attars Augen wurden schmal, aber Tallis wandte sich ab, um nach Jared zu sehen, ehe der andere etwas sagen konnte.
Ein Zweig knackte im Dschungel; erschrocken fuhren sie beide herum und sahen eine junge Frau mit heller, goldfarbener Haut
auf den Sand hinaustreten. Sie war klein und schmal und trug ein kurzes, ärmelloses Kleid, das an der Hüfte mit einem Lederband zusammengehalten wurde. Ihre Füße waren nackt, und ihr dickes, schwarzes Haar war hinter ihrem Kopf hochgebunden. Ihre Gesichtszüge waren eigenartig. Sie hatte eine schmale, flache Nase, und ihre großen Augen standen so schräg, dass es Tallis an die Wüstenkatzen erinnerte. Sie waren braun und sahen ihn furchtlos an, als sie näher kam.
Sie sagte nichts. Ihr Blick huschte ohne jede Neugier über die Männer hinweg und blieb an Jared hängen. Sie hockte sich neben ihn, musterte ihn und stand einen Moment später wieder auf. Auffordernd nickte sie mit dem Kopf zum Dschungel. Eilig bückten sich Tallis und Attar und hoben Jared hoch.
»Ich werde ihn nehmen«, sagte Attar, als Tallis der Schmerz durch seine Schulter fuhr und er mit den Zähnen knirschte. »Hol du unser Gepäck.«
»Was ist mit den Drachen?«, fragte Tallis.
»Mach dir um sie keine Gedanken.« Attars Stimme war angestrengt, denn er versuchte, sich Jared über die Schulter zu legen. »Komm.«
Sie folgten der Frau in den Dschungel hinein. Attar schwankte unter Jareds Gewicht, während Tallis und er sich abmühten, mit der kleinen Frau auf dem schmalen Dschungelpfad mitzuhalten. Scharfkantige Palmwedel peitschten Tallis ins Gesicht, und die warme, dicke Luft, die sie umfing, sobald sie sich vom Ufer entfernt hatten, schien sie fast zu ersticken. Tallis war schweißüberströmt, doch er zog seinen Mantel nicht aus, denn wenigstens bot er ihm ein wenig Schutz vor den Insekten, die sie ständig umschwirrten und plagten. In regelmäßigen Abständen sah er zu Jared, und seine Sorge wuchs. Er bewegte sich überhaupt nicht mehr, und sein Körper hüpfte auf Attars Schultern wie
Weitere Kostenlose Bücher