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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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wie möglich wieder reisen kann.«
    »Natürlich«, sagte Anyu, und mit einem Stöhnen legte er seine Hände auf den Boden und stemmte sich hoch. »Ich muss jetzt gehen
und die Kinder für den Aufbruch vorbereiten.« Er suchte ihren Blick: »Es ist ein Glück, dass du keine Kinder hast, um die du dich sorgen musst.«
    Alterin schluckte eine Erwiderung hinunter und begleitete ihn zur Leiter. Nur wenige Seherinnen vor ihr hatten Kinder gehabt, und viele wie sie hatten keinen Gefährten. Anyu aber war der Vater ihrer Mutter; sie wusste, wenn er hätte wählen können, wäre es ihm lieber gewesen, wenn sie sich einen Gefährten gesucht und schwanger geworden wäre, anstatt zur Seherin ernannt zu werden. Aber es war nicht seine Entscheidung gewesen. Alterin seufzte, küsste ihn auf die Wange, und ehe er die Leiter zum Laufsteg hinabkletterte, versprach sie ihm, ihn zum Abendessen in seiner Hütte zu besuchen. Sie sah ihm nach, als er langsam davonging, und dachte an den Fremden aus den Toten Landen in Mishis Hütte. Sie wollte sich nichts vormachen; ihr war wohl aufgefallen, wie gutaussehend er war. Aber als Gefährte? Sie runzelte die Stirn. Er war so anders als die Männer ihres Volks.
    Sie sah zu Mishis Hütte hinunter, und ihr Herz schlug schneller. Sie wollte zurückgehen und nach ihm sehen, aber Tallis war bereits bei ihm. Ihn wollte sie nicht treffen, aber sie wusste, dass sein Kommen kein Zufall gewesen war. Sie hatte es in seinem Geist gesehen: den Semorphim, mit schwarzen Schwingen und böswillig; die Frau, die ihm so ähnlich sah; die öden Wüstenlande, wo die uralten Führer des Clans herrschten - all diese Dinge standen in irgendeiner Verbindung zum Gefallenen, so viel war sicher.
    Tallis trug Macht in sich. Er hatte die Grenzen ihres Geistes mühelos überwunden, und das war nicht einfach. Als Seherin war ihr ganzes Leben der Ausbildung ihres Geistes gewidmet. Sie konnte andere trösten und beruhigen, ohne sich selbst ihren Ängsten gegenüber zu öffnen, und sie konnte an die Orte der Träume reisen, ohne auf den verworrenen Wegen dorthin ihren Verstand zu verlieren. Und doch hatte sie gespürt, dass Tallis mehr vermochte, viel mehr.
    Es lag eine große Macht in ihm, aber er konnte sie nicht kontrollieren. Er war gefährlich, und doch dachte sie unwillkürlich: War
er mehr als nur eine Warnung vor der Rückkehr des Gefallenen? Konnte er derjenige sein, der sie retten würde?
    Sie starrte zur Hütte hinunter, spürte seine Anwesenheit, und rang mit sich selbst, was sie tun sollte. Er war mehr, als sie gedacht hatte, aber sollte sie diejenige sein, die es ihm sagte? Und was war mit der Frau, die sie in seinem Geist gesehen hatte? Alterin hatte die Verbindung zwischen den beiden gespürt. Sie war ebenfalls wichtig, aber warum?
    Alterin stand dort und konnte den Blick nicht abwenden, doch dann, verärgert über ihr eigenes Schwanken, traf sie eine Entscheidung, setzte entschlossen einen Fuß auf die Leiter und zwang sich zum Abstieg. Sie konnte sich hier nicht verstecken. Sie war die Seherin dieses Dorfes, und es war ihre Pflicht. Angst drückte in ihrem Magen, als sie die wenigen Schritte zu Mishis Hütte zurücklegte; dann holte sie tief Luft, schob den Vorhang vor der Türöffnung zurück und trat ein.
     
    Tallis saß neben Jared auf dem Boden, als Alterin eintrat. Er hob den Blick, aber sah dann sofort wieder weg; sein Herz hämmerte überrascht. Sie jedoch beachtete ihn kaum. Sie kam mit schnellen Schritten zu ihnen, kniete sich auf der anderen Seite neben Jared, beugte sich vor und starrte ihm ins Gesicht. Jareds Augenlider hoben sich flatternd, und er lächelte sie schwach an, ehe er wieder in den Schlaf zurücksank.
    Tallis fragte sich, was sie denken mochte. Als ob sie ihn gehört hätte, sah sie ihn unvermutet an. »Deine Schulter muss versorgt werden«, sagte sie leise.
    »Sie ist in Ordnung.« Er stand auf, um zu gehen. »Ich sollte aufbrechen.«
    »Nein, warte.«
    »Attar wird nach mir suchen«, log er. Er wollte die Hütte so schnell wie möglich verlassen, denn er erinnerte sich nur zu gut daran, wie viel Furcht Alterin vor ihm gehabt hatte. Er misstraute sich selbst und fürchtete, dass er ihr wieder etwas antun würde.
    »Wer ist diese Frau, die ich in deinem Geist gesehen habe«,
fragte sie, und er blieb stehen. Der Atem stockte ihm in der Kehle. »Ich spüre eine Verbindung zwischen euch«, fuhr Alterin fort. »Wer ist sie, und warum fürchtest du um sie?«
    Sein Herz pochte laut. Ihre

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