Der Herr Der Drachen: Roman
Schöpferstein zu finden, dann gibt es vielleicht auch einen Weg, ihn aufzuhalten«, sagte Alterin.
»Du kannst ihn nicht von seinem Ziel abbringen«, entgegnete Shaan und sah sie an. »Ich muss weg von hier. Weit weg, an einen Ort, an dem er mich nicht benutzen kann, um den Stein zu finden.«
»Aber er wird dich entdecken.«
»Es ist den Versuch wert«, sagte Shaan. »Ich bin es leid, seine Sklavin zu sein.«
Einen Moment lang sah Alterin sie schweigend an. »Vielleicht«, sagte sie schließlich. »Aber zuerst lass mich prüfen, ob ich herausfinden kann, warum du so über alle Maßen wichtig für ihn bist. Vor dir müssen bereits viele andere seiner Nachkommen gelebt haben. Im Dschungel gibt es einen Ort, zu dem ich gehen werde. Dort könnte ich möglicherweise einige Antworten finden.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Zwei Tage.«
Der Gedanke an zwei weitere Nächte an jenem dunklen Ort ängstigte Shaan. »Ich weiß nicht, ob ich so lange warten kann«, flüsterte sie.
»Du musst ihm widerstehen«, entgegnete Alterin mit fester Stimme. Als sie aufstand, griff sie nach Shaans Hand. »Komm, ich werde bei Sonnenuntergang aufbrechen. Geh jetzt zurück, er wird schon nach dir suchen.«
Als Shaan die Hütte verließ und zu Azoth zurückkehrte, fragte
sie sich ernsthaft, ob es wirklich noch irgendetwas gab, was die junge Frau würde ausrichten können.
Nachdem Shaan fort war, stand Alterin noch eine Weile am Fenster und sah hinaus. Der Regen war zu einem leichten Nebel geworden, und oben im Baum lugte ein Vogel mit glänzenden Augen unter einem Blatt hervor. Doch all das fiel ihr kaum auf. Sie dachte an den Ort, an den sie gehen musste.
»Ich begleite dich.« Jared kam aus dem zweiten Zimmer. Die Bodendielen der Hütte vibrierten unter seinen Schritten, als er hinter Alterin trat.
Ohne sich umzuwenden, antwortete sie: »Nein.« Ihr Blick ruhte auf dem Vogel, der aus dem Baum zu ihr herabsah.
»Ich werde dir folgen«, sagte er.
Alterins Hände klammerten sich so fest an das Holz des Fensterrahmens, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. »Es ist zu gefährlich. Du bist noch nicht kräftig genug.«
»Ich bin stärker als du denkst«, erwiderte er und streichelte mit den Händen über ihre Arme hinauf zu den Schultern. Die Berührung war sanft und liebkoste ihre bloße Haut. »Lass mich dir helfen«, sagte er leise.
Sie spürte seine Wärme an ihrem Rücken, und unwillkürlich erhitzte sich ihr eigener Körper wie als Antwort. Ihre Augen schlossen sich; sie atmete tief ein und lauschte auf das, was ihr Herz ihr sagte. Regentropfen prasselten draußen auf Blätter und die Erde. Zärtliche Hände streichelten die Seiten ihres Halses entlang. Mit einem lauten Krächzen sprang der Vogel aus dem Baum und erhob sich in die Luft. Ihr Blick folgte seinem Flug, dann drehte sie sich um, und ihre Augen richteten sich auf den Mann aus den Toten Landen. Sie hob die Hand, fuhr mit den Fingern über die raue Haut seines von Stoppeln bedeckten Kinns. Und dann, als sie seinen Kopf zu sich herunterzog, dachte sie, Anyu würde sich freuen.
Auch in dieser Nacht nahm Azoth Shaan wieder mit zum Fluss hinab. Die Luft war warm und schwül, und die Bäume über ihnen
waren vom Rascheln der Dschungeltiere erfüllt. Shaan jedoch fühlte sich kalt und spröde wie Glas. In den Schatten am Rande des Wassers hielt er an und streckte seine Hand nach ihr aus.
Hoch über ihnen riss ein Windstoß ein Loch in die Wolkendecke, und schwacher Sternenschein milderte die Schwärze ein wenig. Das Licht der schmalen Mondsichel fiel durch die Wolken, schimmerte auf der Haut seiner starken, bloßen Arme und ließ sie glänzen.
»Komm her«, sagte er und lächelte.
Sie hasste es, wie ihr Herz klopfte, als sie ihn ansah. Es war, als habe sie jede Kontrolle über ihren Körper verloren. Schatten und Mondlicht wechselten sich auf seinen Zügen und dem sinnlichen Schwung seiner Lippen ab. Sie trat zu ihm, und seine warme Hand schloss sich um ihre kalten, zitternden Finger. Langsam zog er sie näher zu sich heran. Jetzt würde er sie in das Wasser führen, doch er bewegte sich nicht, stand nur da und hielt ihre Hand.
»Hast du gefunden, was du suchen sollst, wenn ich dich ausschicke?«, fragte er. Ein Hauch von Belustigung lag in seiner Stimme, als spräche er liebevoll mit einem ungezogenen Kind.
Sofort stockte ihr der Atem, und sie hatte Angst, seinen Blick zu erwidern. Ihre verkrampfte Hand lag ganz still in seiner.
Leise lachte er, ein
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