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Der Herr Der Drachen: Roman

Titel: Der Herr Der Drachen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lara Morgan
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und verblassten am Rande des Horizonts zu einem dunklen Glitzern. Spitze Gipfel reckten sich in das blasse Licht des Morgengrauens wie schwarze Zähne, die sich in den Himmel gruben, und Tallis fragte sich, wie Jared und er je einen Weg durch dieses Gebirge finden wollten.
    Am zweiten Tag machten sie im spärlichen Schatten eines kleinen Dornengewächses Rast. Nachdem sie beinahe sechs Stunden geschlafen hatten, wachte Tallis auf, als die Sonne schon im Sinken begriffen war. Einen Moment lang lag er da und beobachtete das Licht durch den Schleier seines Kopftuchs hindurch. Sand bedeckte seine Haut und klebte am Schweiß seines Nackens und seiner Stirn, und sein Mund war trocken. Jared neben ihm schnarchte noch. Tallis setzte sich auf, wickelte seinen Schal vom Kopf und griff nach dem Wasserschlauch. Mit einem kleinen Zweig schabte er sich den Sand von seiner Stirn, riss sich vom Anblick der Berge los und sah zur Wüste. Nun würden sie bald Raknah-Land erreichen. Gut zwei Meilen Richtung Osten lagen die Grenzen des Landes, das dieser Clan beanspruchte, gekennzeichnet durch zwei tiefe Gräben im Sand und Gestein, die beinahe unmöglich zu entdecken waren, bis man fast davorstand.
    Der bleiche Mond stand am Himmel, und Tallis starrte hinauf, während er an seine Mutter und an die Schwester dachte, die er noch nie gesehen hatte. Vielleicht sollten Jared und er nach Westen ziehen, in die Gebiete der Feuchtlande? Er starrte beinahe reglos vor sich hin, als zwei schwarze Punkte am Horizont erschienen. Einen Moment lang sah er ihnen schläfrig entgegen, doch
dann war er mit einem Schlag hellwach. Ein schmerzhafter Stich durchfuhr seinen Kopf, und seine Gliedmaßen waren plötzlich taub, als er begriff, was sich da näherte. Er konnte den Blick nicht von den riesigen Flügeln abwenden, die nach und nach sichtbar wurden. Die Erinnerung an jenen schicksalhaften Tag in der Wüste überfiel ihn wieder, und er drehte sich um und packte Jared an der Schulter.
    »Wach auf!« Nun schüttelte er Jared.
    »Was?« Jared hob den Kopf, blinzelte, dann erstarrte er und blickte ungläubig an Tallis’ Schulter vorbei den sich nähernden Kreaturen entgegen. Er riss die Augen auf, kroch aus dem Schutz des Gewächses hervor und griff nach seinem Messer. Tallis nahm Jareds kleinere Klinge. Sie befanden sich auf offener Fläche ohne die Möglichkeit, irgendwo Schutz zu suchen. Warum hatten sie daran nicht gedacht? Tallis verfluchte ihre Dummheit. Sie konnten sich nirgends hinflüchten.
    Die Drachen kamen näher, und Schmerz umfing Tallis’ Schädel wie ein Schraubstock. Dass Jared an seiner Seite war, bemerkte er kaum. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und mit wachsender Panik merkte er, dass es wieder geschah. Jared sagte irgendetwas und packte ihn am Arm, aber seine Worte schienen von weit weg zu kommen. Die Welt um ihn herum zerfiel. Alles, was er noch sehen konnte, waren die nahenden Drachen, und alles, was er hören konnte, war ein Flüstern wie Wind, der an den Türen seines Geistes rüttelte und danach verlangte, freigelassen zu werden.
    Die untergehende Sonne blendete Tallis, und die Drachen waren nur dunkle Schatten am Himmel, aber er spürte sie und das tiefe, trommelnde Vibrieren ihres Blutes. Das Flüstern wurde lauter. Tallis konnte kaum noch denken. Ihm schwirrte der Kopf. Er taumelte und spürte voller Entsetzen, wie etwas aus seinem tiefsten Innern an die Oberfläche drängte. Noch versuchte er, es zu verleugnen, kämpfte darum, an dem Teil seines Selbst festzuhalten, den er kannte, aber dieses Etwas in ihm war stärker.
    Die Drachen kreisten über ihren Köpfen und glänzten in vielen Farben. Ihre kammbewehrten Köpfe waren nach unten gebogen,
um Jared und Tallis anzustarren, und auf ihren Rücken saßen Männer in seltsamer Kleidung. Dies waren nicht die gleichen Tiere wie beim Angriff! Doch der Gedanke kam Tallis zu spät, und das Ding in seinem Innern sprengte seine Fesseln. Unbekannte Worte formten sich auf seiner Zunge. Das kleinere Tier schien zurückzuweichen, doch das größere, das schon näher an ihnen dran war, legte den Kopf in den Nacken und kreischte, und der Laut war wie ein Hammer, der auf Tallis’ Kopf niedersauste. Seine Knie schlugen auf dem Boden auf, und im letzten Augenblick sah er hinauf in ein wissendes, grünes Auge, ehe es schwarz um ihn wurde.
     
    Als er aufwachte, hörte er Männer miteinander sprechen. Er lag auf der Seite, es war Nacht, und hinter seinen Augen pulsierte ein dumpfer Schmerz. Er

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