Der Herr Der Drachen: Roman
und dachte nach. Keiner der anderen Männer gesellte sich zu ihm, doch hin und wieder bemerkte er, wie ein verstohlener Blick in seine Richtung wanderte. Er hatte ein kleines Messer in der Hand, das er dicht an seine Hüfte presste, und er hielt sich wach, indem er sich an einen spitzen Felsvorsprung lehnte, der sich ihm in die Wirbelsäule bohrte.
Doch die Ereignisse der letzten Tage hatten ihn müde gemacht, und irgendwann mitten in der Nacht döste er ein. Seine Lider senkten sich flatternd, und die Erschöpfung übermannte ihn.
Er erwachte mit einem Ruck, als grobe Hände nach ihm griffen. Instinktiv wehrte er sich, aber das Messer war bereits seinem Griff entwunden. Er trat und hörte einen Mann ächzen, dann wurde ihm eine Faust ins Gesicht gerammt. Schmerz vernebelte seine Sicht. Tallis spähte in die dunklen Schatten und versuchte, einen Hieb zu landen, wann immer er ein Auge aufblitzen sah, doch weitere Fäuste trafen ihn in den Unterleib, sodass er alle Luft ausstieß und keuchend zusammensackte. Unter seinen Händen spürte er das harte Gestein. Eine mächtige Faust schlug ihm in die Nieren, eine andere schmetterte auf seine Schläfe nieder, als er auf der Seite lag. Daraufhin war er zu benommen für jede Gegenwehr, und Hände packten ihn an den Fußknöcheln und zerrten ihn aus dem Lager. Steine rissen seinen Rücken auf, und er
stöhnte heiser. Ein Jäger in seiner Nähe drehte den Kopf, kam ihm jedoch nicht zu Hilfe. Der Verrat traf Tallis tief. Auch wenn er damit gerechnet hatte, konnte er es doch nicht glauben. Sie würden, ja sie könnten so etwas doch nicht einem von ihnen antun, oder doch?
Schweigend zogen ihn die Männer aus dem Brunnen und weg von den Felsen. Die Nacht war dunkel; der Sand war ein trüber, fahler Schimmer im Licht der Sterne. Sie schleiften ihn so lange mit sich, bis niemand sie mehr sehen konnte, dann blieben sie stehen und ließen Tallis’ Beine fallen. Er hörte das leise Gleiten von Metall über Leder. Kalte Furcht machte ihn wieder klar im Kopf. Ihm lief Blut in das rechte Auge, und als ein Fuß in seine Richtung trat, rollte er sich zur Seite. Er versuchte aufzustehen, aber Hände griffen nach seinem Haar und zogen seinen Kopf zurück. Er ignorierte den Schmerz, drehte sich und setzte zu einem Hieb an, doch starke Arme packten ihn, zerrten ihn zurück und zwangen ihn auf die Knie. Zornerfüllt stöhnte und kämpfte er, aber sie waren größer als er und stärker. Als er aufblickte, sah er einen anderen Mann näher kommen. Es war Relldin, dessen kurzer Bart schon weiß wurde. Seine Augen glänzten, und sein Gesicht war eine grimmige Maske. Das Licht der Sterne brach sich auf der Klinge seines Messers.
»Nein!«, schrie Tallis und zappelte in ihrem Griff. So würde er nicht sterben. Sein Zorn verlieh ihm Kraft, und einer der Männer lockerte seine Umklammerung. Doch dann stieß Relldin ein seltsames Keuchen aus. Ein überraschter Ausdruck erschien auf seinem Gesicht, gefolgt von einem Schwall Blut, der aus seinem Mund quoll. Er fiel nach vorne, und nun konnte Tallis sehen, dass ihm ein Messer zwischen den Schulterblättern steckte.
»Relldin«, zischte einer der Männer, die Tallis festhielten, doch dann schnellte eine dunkle Gestalt aus der Wüste und zerrte ihn von Tallis weg, der sich nun aus dem Griff des letzten Mannes wand und mit den Fingern hektisch nach Relldins Messer tastete. Eine Hand schloss sich um seine Knöchel, und als er sich umdrehte, sah er Penrit, dessen Gesicht entschlossen wirkte, als
er sich ihm näherte, um ihn anzugreifen. Tallis’ Finger krümmten sich um das Heft des Messers, und ohne darüber nachzudenken riss er es hoch und versenkte es tief in der Brust des jungen Mannes. Heißes Blut ergoss sich über seine Hand, und der Schock darüber durchfuhr seinen ganzen Arm. Penrit griff nach dem Messer, auf seinem Gesicht malte sich ein Ausdruck schmerzverzerrter Ungläubigkeit, und heftig zitternd brach er auf dem Sand zusammen.
Tallis sprang auf, starrte ihn an und fühlte sich ganz leer vor Entsetzen. Es wehte kein Wind, und alles war still; nur das leichte Zucken von Penrits sterbendem Körper durchbrach die Ruhe.
»Tallis.«
Jared stand vor ihm, in einen dunklen Mantel aus Ziegenhaut gehüllt. Sie standen voreinander und sahen sich an, ihre Hände nass vom Blut. Drei Männer lagen tot zu ihren Füßen. Tallis überfiel Übelkeit, und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Alles schien unwirklich, und die Welt hatte alle Farbe
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