Der Herr der Falken - Schlucht
geschieht. Was hältst du davon, Igmal?«
Igmal blickte verächtlich auf Athol, der mit angezogenen Knien seitlich auf der Erde lag, die Arme um den Bauch gewunden. »Ich kenne ihn, seit er gesund und schreiend aus dem Bauch seiner Mutter glitt. Ich habe gesehen, wie er heranwuchs. Und in ihm wuchs auch etwas Dunkles heran. Ich beobachte ihn, seit du hier angekommen bist, Cleve. Ich sah seine Angst, alles zu verlieren, ich sah auch seinen Haß und seine Habgier. Er war entschlossen, dich zu töten, sein Heisch und Blut, die Frauen und das kleine Mädchen, das mich zum Lachen bringt. Er hat Schmach über uns alle gebracht.« Ohne ein weiteres Wort sprang Igmal vom Pferd und zog ein kurzes Messer. Cleve hielt den erhobenen Arm fest, der bereit war, Athol das Messer ins Herz zu stoßen. »Nein, Igmal, nein. Darüber muß Varrick entscheiden. Du sprichst von Schmach. Es ist nicht deine Schmach, sondern die meiner Familie. Wir müssen ihn zu Varrick zurückbringen.«
»Wie du meinst, Cleve«, sagte Igmal und steckte das Messer in den Gürtel zurück. »Eines Tages bist du hier der Herr.« Er spuckte auf Athol. »Er hat dir das Leben gerettet«, stieß er voller Verachtung hervor. »Du wolltest ihn töten, und er hat dir das Leben gerettet.« Igmal spuckte noch einmal aus, drehte sich um und gab seinen Männern das Zeichen zur Umkehr.
»Igmal«, rief Kiri.
Der häßliche Mann sah das Kind an, verzog das Gesicht zu einem Grinsen und zeigte seine weißen Zähne. »Ja, Kleine?«
»Ich reite mit dir zurück zur Festung.«
Kopfschüttelnd hob Merrik sie zu Igmal hinüber, der sie sicher in seine Armbeuge bettete. »Allmählich glaube ich, daß wir nur zu ihrem Vergnügen da sind.«
Cleve nickte schmunzelnd, dann wandte er sich wieder Athol zu. »Wir setzen ihn auf sein Pferd. Ich weiß nicht, was Varrick mit ihm vorhat.«
Athol, der wieder zu sich gekommen war und begriff, daß Cleve ihn nicht töten würde, schaute sich nach den Banditen um. »Mein Vater liebt mich«, stieß er hervor. »Er ist auf meiner Seite. Er wird mir verzeihen.«
»Das wird er nicht«, sagte Chessa. »Wenn er es tut, ist er ebenso töricht wie du.«
»Du bist eine verdammte Hexe. Meine Mutter sagte, du bist eine Hexe, als sie sah, wie du den Burra gehalten hast. Da wußte ich, daß es das beste wäre, wenn du stirbst und mit dir dein böser Geist. Du bist nur eine Frau und hast es gewagt, mich mit dem Messer zu bedrohen.«
»Vielleicht bin ich wirklich eine Hexe«, entgegnete sie lächelnd. »Und du bist ein Narr, Athol, wenn du denkst, du könntest mich je besiegen. Dein Vater weiß mich richtig einzuschätzen.« Voller Angst und Haß verfolgte er sie mit seinen Blicken, während sie zu ihrer Stute zurückging und wartete, bis Cleve ihr in den Sattel half.
Plötzlich schrie einer der Männer auf. »Das Ungeheuer. Es ist Caldon! Bei den Göttern, es ist Caldon.«
Chessa wirbelte herum und blickte auf den See. Sie sah nichts als dichten, grauen Nebel, der alles einhüllte.
»Dort drüben am Ostufer!«
Dann sah sie einen Schatten, einen langen Hals, auf dem ein kleiner Kopf saß. Der Kopf fuhr herum in ihre Richtung. Eben noch war ein Teil eines schuppigen Halses zu sehen, doch im nächsten Augenblick hüllten graue Nebelschwaden alles ein.
Die Männer murmelten. Sie glaubten, Caldon, das Ungeheuer von Loch Ness, gesehen zu haben.
Chessa wußte nicht, was sie gesehen hatte. Sie blickte zu Cleve, der Athol auf sein Pferd gesetzt hatte. Er schüttelte nur schweigend den Kopf.
Kiri blickte auf den See, den Kopf seitlich geneigt. »Das Ungeheuer ist nicht gefährlich, Kiri«, sagte Igmal leichthin. »Du brauchst dich nicht vor ihm zu fürchten. Es hat eine Familie und Kinder wie die Menschen.« Chessa wußte, daß er log, um die Kleine zu beruhigen, und sie war froh darüber. Kiri nickte zufrieden und lehnte sich an seine Brust. Dann hob sie den Kopf. »Igmal, dein Fell stinkt. Ich werde es für dich waschen.«
Der häßliche Mann blickte verwundert auf die Kleine herunter. »Du willst es für mich waschen?«
»Ja. Es sei denn, du hast eine Frau. Aber du hast keine Frau, sonst würde das Fell nicht stinken.«
»Du hast ganz recht«, schmunzelte Igmal und blickte zu Chessa hinüber. »Cleve hat mit seinen Frauen Glück.«
»Er ist ein Dreckskerl!« kreischte Athol. »Er ist ein Nichts. Igmal, mein Vater wird dich töten, weil du versucht hast, mir etwas anzutun. Er wird auch Cleve töten und die widerliche Hexe.«
»Da bleibt ja kaum
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