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Der Herr der Falken - Schlucht

Der Herr der Falken - Schlucht

Titel: Der Herr der Falken - Schlucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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Herzog Rollo hat eine Dynastie aufgebaut, die an Macht und Gebietserweiterungen zuzunehmen verspricht.«
    »Ihr mögt recht haben, Hoheit. Rollo ist ein willensstarker und weiser Mann.« Cleve machte eine kurze Pause, wischte ein Stäubchen vom Ärmel und fügte hinzu: »Ich sah keinen Grund, die Gesellschaft Eurer Tochter zu suchen.« Mit diesen Worten verließ er den Thronsaal.
    Gehöft Malverne einen Monat später
    »Papa.«
    »Ja, Liebling.« Cleve hob Kiri hoch und drückte sie zärtlich an sich.
    »Du warst lange fort. Das gefällt mir nicht.«
    »Mir auch nicht. Aber ich mußte von Dublin nach Rouen reisen, bevor ich heimfahren konnte. Und ich habe dir gesagt, wie viele Tage ich fortbleibe. Und ich bin drei Tage früher gekommen.«
    »Das stimmt«, bestätigte sie stirnrunzelnd. »Manchmal glaube ich, du nennst mehr Tage, um mich reinzulegen. Ist alles gut verlaufen?«
    Er schwieg lange. Seine schlanken Finger strichen sanft über den Rücken seiner Tochter. »Es verlief alles nach Herzog Rollos Wunsch«, antwortete er schließlich. »Und nun marsch ins Bett, Kiri. Morgen erzähle ich dir von Taby. Onkel Merrik hat recht. Taby ist ein Goldkind. Da kommt auch schon Irek, der bei dir schlafen will.« Irek war feist geworden und beinahe ausgewachsen. Sein Fell war schwarz und weiß gefleckt, nur auf der Nase hatte er einen braunen Fleck. Niemand hatte eine Ahnung, was für eine Mischung der Köter war. Er verteidigte Kiri grimmig und bellte wie verrückt, wenn er meinte, seiner Herrin drohe Gefahr. Merriks ältester Sohn Harald trat schleunigst den Rückzug an, wenn Irek zu knurren anfing.
    In dieser Nacht hatte er abermals den Traum, von dem er nahezu drei Monate verschont geblieben war. Der Traum war sehr lebhaft und wirklichkeitsnah. Er roch den Duft der roten und weißen Blüten und spürte den leichten Nebel, der ihm feucht ins Gesicht schlug. Diesmal begann der Traum nicht auf dem Felsvorsprung über dem Wasserfall. Diesmal stand Cleve bereits am Eingang des großen Hauses mit dem moosbewachsenen Schindeldach, aus dessen Öffnung in der Mitte des Daches eine dünne Rauchsäule aufstieg. Er schlotterte vor Angst und weigerte sich, die Festung zu betreten. Da hörte er die tiefe, dämonische Stimme. Bald würde die Frau schreien. Er wollte weglaufen. Wo war das Pony? Er hob die Hand und schob den Eisenriegel beiseite. Das große Holztor öffnete sich. Die Stimme schwieg. Die Frau schrie nicht. Es herrschte Totenstille. Der Raum war sehr lang und breit. An der entfernten Giebelseite befand sich ein hohes Podium, dahinter sah er riesige viereckige Holzverschläge. Der Boden bestand aus festgestampftem Lehm. Eine Ecke des Raumes war abgeteilt. Er wußte, daß sich hinter dem Vorhang vier enge Schlafkammern befanden. An den Wänden entlang standen Bänke. Über der Feuerstelle hing an schweren Ketten ein großer Eisentopf, aus dem Dampf aufstieg, der sich als weißer Dunst im Raum verbreitete. Obgleich sich viele Männer, Frauen und Kinder im Haus aufhielten, herrschte tiefe Stille. Selbst die drei Hunde gaben keinen Laut von sich. Cleve hatte Angst. Er wagte einen weiteren Schritt in den Raum. An der Feuerstelle stand eine Frau und rührte in dem großen Eisentopf. Ein Mann setzte einen reich verzierten Becher an die Lippen und trank. Er saß auf dem einzigen Stuhl mit hoher Rückenlehne. Die Schnitzereien der Armlehnen stellten eine Szene aus der Göttersage dar: Thor mit hocherhobenem Schwert im Kampf gegen seine Feinde. Der Stuhl wirkte sehr alt, der Mann war jung. Sein volles, schwarzes Haar umrahmte das hagere Gesicht, und seine bleichen Hände waren lang und schmal. Er war schwarz gekleidet. Auf den Bänken saßen Männer, denen die Frauen Holzschalen mit Essen vorsetzten.
    Der Mann auf dem Stuhl hatte das Kinn in die Hand gestützt und beobachtete ein junges Mädchen, das in einer
    Ecke hinter dem Webstuhl saß. Dann wanderte sein Blick zu der Frau am Herd. Die Frau blickte von dem Mädchen zu dem finsteren Mann. In ihren Augen standen Zorn und Angst. Sie sagte etwas, doch der Mann achtete nicht auf sie. Sein Blick blieb auf dem Mädchen haften. Mit leiser Stimme befahl er ihr, zu ihm zu kommen. Cleve schrie ihr zu, nicht zu gehorchen, nicht zu ihm zu gehen, und diesmal schien sie ihn zum ersten Mal in seinen wiederkehrenden Träumen zu hören. Sie wandte sich um, als wolle sie sich orientieren. Sie sah ihn, sprach ihn an, doch er konnte ihre Worte nicht hören, und verstand nicht, was sie ihm sagen

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