Der Herr der Falken - Schlucht
Prinzessin, weil ihr Vater einen raffinierten Plan ausgeführt hatte. Chessa lächelte in sich hinein. Die Könige des Nordens wollten mit dem irischen Königshaus ein Bündnis eingehen wegen der nordischen Abstammung von Prinzessin Chessa und der Jugendkraft ihres Vaters. Wenn sie nur wüßten ...
»Prinzessin.«
»Ja, Kerek. Die Nacht ist mondlos und stockfinster. Wie weiß der Steuermann, in welche Richtung die Männer rudern sollen?«
»Er richtet sich nach dem Polarstem. Unser Steuermann kennt den Himmel genau und hat sehr scharfe Augen. Er verliert die Orientierung nicht einmal bei starkem Regen.«
»Was willst du, Kerek?«
Er antwortete nicht gleich, und sie hakte nach: »Warum bist du hier?«
»Um ihn von Euch fernzuhalten«, gestand er schließlich. »Er hat zuviel Met getrunken. Er redet mit den Männern, lacht und prahlt, Euch zu beschlafen, bevor er Euch zur Frau nimmt. Und wenn er keinen Gefallen an Euch findet, überläßt er Euch seinen Männern und wirft Euch anschließend über Bord. Seinem Vater will er dann erzählen, Ihr hättet einen tragischen Unfall gehabt. Er hat Euch nicht besonders gern und wird Euch nie vergeben, daß Ihr ihn krank gemacht habt.«
»Aber er braucht mich«, erwiderte sie, ohne wirklich zu wissen, warum.
»Das ist ihm aber nicht klar. Er will nur den Thron seines Vaters. Er ist es leid, sich den Wünschen des Königs zu beugen. Ragnor ist zwar erwachsen, aber in seiner Habgier und Selbstsucht wie ein kleiner Junge. Das Danelagh ist geschwächt. Bald werden die Sachsen York überfallen und unterwerfen und uns das Land wegnehmen. Dann gibt es keine Wikingerkönige mehr, denn die Sachsen übernehmen wieder die Herrschaft. Es ist nur noch eine Frage der Zeit. Wenn Olric stirbt, ist Ragnor nicht der Mann, um die Sachsen zurückzudrängen.«
Kerek saß lange schweigend mit gekreuzten Beinen neben ihr unter der Plane. »Ich glaube, Ihr seid in der Lage, die Sachsen daran zu hindern, das Danelagh zu besiegen.«
»Ich? Ich bin doch nur eine Frau.«
»Es hat schon andere Frauen gegeben, die sich als tapfere Kriegerinnen erwiesen haben, die Soldaten in die Schlacht geführt und ihre Feinde besiegt haben.«
»Ja«, meinte Chessa sinnend. »Zum Beispiel Boadicea, die sagenhafte Königin von Iceni. Sie kämpfte gegen die Römer. Doch am Ende wurde sie besiegt, Kerek. Sie verblutete auf dem Schlachtfeld und mit ihr Tausende von tapferen Kriegern.«
»Die Männer folgten ihr in die Schlacht. Der Sage nach haben ihre Krieger siebzigtausend Römer getötet, bevor sie besiegt wurden.«
»Hältst du mich für eine zweite Boadicea?«
Sie spürte seinen Blick in der Dunkelheit. »Ihr seid noch sehr jung«, flüsterte er. »Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Aber ich sah Eure kalte Abneigung Ragnor gegenüber. Ihr habt ihm die Wahrheit schonungslos ins Gesicht geschleudert, obgleich Ihr wußtet, daß er Euch dafür züchtigen würde. Ihr habt keine Träne vergossen und keinen Wehlaut von Euch gegeben. Ihr habt keine Angst gezeigt.«
»Das heißt noch lange nicht, daß ich eine Heldin bin. Das zeigt nur, wie dumm ich bin.«
»Ihr habt Euch persönlich gerächt. Ihr habt keinen Höfling damit beauftragt, Rache zu üben.«
»Es war nur ein Trank aus geriebenen Sennesblättern, Bilsenkraut und Ingwer.«
»Wie habt Ihr ihn dazu gebracht, davon zu trinken?«
Sie lachte leise. »Er glaubte immer noch, er könne mit mir schlafen, obgleich ich ihn vorher als Ziegendreck und Natterngezücht beschimpft hatte. Er wollte einfach nicht wahrhaben, daß eine Frau meint, was sie sagt. Als ich ihm Ingwerlimonade anbot, starrte er mich lüstern an und schüttete das Zeug in sich hinein. Die Übelkeit kam erst am nächsten Tag. Er begriff nicht, daß mein Trunk sie auslöste.«
»Ihm war wirklich elend zumute. Die Männer lachten hinter seinem Rücken über ihn.«
»Dennoch bin ich eine Frau, Kerek«, sagte sie. »Ich glaubte ihm seine Liebesschwüre wirklich. Nein, ich bin keine tapfere Heldin, um ein Volk zu retten. Ich war nur eine große Närrin.«
»Habt Ihr vor ihm einen anderen Mann gekannt?«
»Nein, dennoch...«
Kerek erhob sich. »Ich habe Euch in den vergangenen Tagen beobachtet. Ihr werdet an Reife und Erfahrung gewinnen ... Es fängt an zu regnen. Wind ist aufgekommen. Mal sehen, ob unser Steuermann uns die richtige Richtung weist.«
»Ich hätte nichts dagegen, wenn er uns auf Grund fahren würde.«
Im Begriff, die Plane beiseitezuschlagen, sagte Kerek über die Schulter
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