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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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ganz in Schwarz, Grau und Braun, mit nur wenigen dunke l grünen Grasflecken – und als uns die Luft ausging, da wussten wir, dass die Sonne zu hoch für uns stand.
    »Jetzt wird alles anders!«, rief ich Len zu, während ich gierig eina t mete. »Weißt du, wie schön bald die Wälder, Felder und Flüsse auss e hen werden, wenn du über sie drüberfliegst?«
    »Weißt du es denn?«
    »Ich kann es mir vorstellen!«
    Len lachte. Ein kühler Wind strich über uns, flüsterte mit leiser Stimme und erlaubte uns, zu segeln. Und nirgends gab es noch Fin s ternis. An keiner Stelle. Ich wusste, dass sogar dort, wo das Licht des Sonnenkaters noch nicht schien, die Finsternis der ganz normalen Nacht gewichen war. Die Flügelträger würden die Sterne sehen, die Freiflieger mussten sich in den tiefsten Höhlen verstecken.
    »Wir haben eine Sonne!«, schrie Len.
    »Wir haben Licht!«, stimmte ich ein.
    »Wir haben Flügel!«
    »Wir haben uns!«
    Wir lachten wieder los und steuerten im Gleitflug auf die Berge zu, dorthin, wo die Flügelträger gegen die Freiflieger gekämpft hatten. Wir brauchten uns nicht abzusprechen, wohin wir fliegen wollten.
    Die anderen erwarteten uns offenbar schon.
    Eine kleine Gruppe von Flügelträgern stand auf einem Hochplateau, von wo aus sie die Reste des Turms sehen konnten. Die Ruinen int e ressierten sie aber gar nicht, ja, nicht mal die Sonne fesselte sie – sie hatten nur Augen für uns. Als ich Shoky ausmachte, freute ich mich. Dann sah ich allerdings, wie viele tote Flügelträger ringsum auf den Felsen lagen – und meine ganze Freude verpuffte.
    »Ihr habt uns die Sonne zurückgebracht«, sagte Shoky, nachdem wir gelandet waren. In seiner Stimme hörte ich keine Freude, sondern nur Verwunderung.
    »Wir alle haben sie zurückgebracht«, widersprach ich, doch Shoky schüttelte nur den Kopf.
    »Und was jetzt?«, fragte er. Er stellte die Frage in einem Ton, der nicht etwa spöttisch war, sondern so, als ob er von mir einen Befehl erwartete.
    »Was ihr wollt!«, mischte sich Len ein. »Wer möchte, kann für die Händler arbeiten. Oder ihr könnt einfach leben.«
    Shoky nickte ergeben.
    »Sind viele umgekommen?«, fragte ich überflüssigerweise.
    »Vor allem von den Erwachsenen«, antwortete Shoky. »Die Fre i flieger haben sie erwischt, bevor wir zuschlagen konnten.«
    »Hat jemand was zu essen?«, erkundigte sich Len.
    Von allen Seiten streckten sich uns Hände entgegen, mit den Resten des jeweiligen Flugproviants. Die Flügelträger wussten, in welchem Maße die Flügel unsere Kraft aufsaugten, und niemand hielt die Frage für frech. Während wir aßen, erzählte Shoky uns, wie der Kampf ve r laufen war, wie die Freiflieger die Erwachsenen in eine Schlucht a b gedrängt hatten, aber gleichzeitig ihre Verteidigungsposten nicht ve r lassen hätten. Erst als sie nicht mehr mit einem Angriff rechneten und ihre Aufmerksamkeit nachließ, hätten die Flügelträger sie aus dem Hinterhalt angreifen können.
    »Fast keiner von ihnen ist entkommen«, schloss Shoky mit bitterem Hass. »Als dann die Sonne aufging, sind die Letzten von ihnen in der Luft versteinert.«
    Bestimmt gab es noch viel, was er uns erzählen konnte. Über jede Minute der Schlacht und davon, wie seine Freunde gestorben waren. Nur wollte ich das alles im Moment nicht hören. Und Len ansche i nend auch nicht.
    »Wir fliegen jetzt«, erklärte ich Shoky.
    Shoky verstummte mitten im Wort.
    »So schnell schon?«, fragte er traurig. »Müsst ihr noch irgendwas erledigen?«
    »Nein«, schaltete Len sich ein. »Wir sind hundemüde. Wir fliegen nach Hause und schlafen uns aus.«
    »Sicher«, meinte Shoky. »Kann ich vielleicht mit euch mitfliegen?«, fragte er so plötzlich, als sei ihm dieser Gedanke gerade gekommen. »Ich muss in der Stadt Bescheid geben, wie die Lage ist.«
    Ich zuckte die Schultern. Warum nicht?
    Shoky rief einen der Senioren zu sich, an den ich mich vage von meinem ersten und einzigen Besuch im Club erinnerte.
    »Gnat, du und Alkk, ihr übernehmt das Kommando über die Flüge l träger. Ich fliege in die Stadt. Ihr durchkämmt die Umgebung und die Ruinen des Turms. Wo ist eigentlich Alkk?«
    Gnat runzelte die Stirn. »Sein Junior wurde verletzt«, erklärte er. »Sie sind da drüben, am Abhang.«
    Ohne ein Wort zu sagen, ging Shoky hinüber zum Hang. Len und ich folgten ihm.
    Alkk kannte ich, er hatte bei meinem Besuch im Seniorclub mit Shoky zusammengesessen. Wahrscheinlich waren die beiden Freunde.
    Als wir

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