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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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weiter. Ohne lange darüber nachzudenken, trank ich davon. Der Wein schmeckte sauer und süß zugleich, genau wie Sekt.
    »Er gehört jetzt dir«, erklärte Shoky völlig gelassen. »Erlaubst du, dass wir ihn da wegziehen?«
    Ich nickte. Ganz langsam legte sich meine Angst wieder.
    »Gnat«, wandte sich Shoky an den Jungen, der neben ihm saß, »rette diesen Idioten! Er muss morgen Patrouille fliegen.«
    Gnat zog den Idioten ohne jede Hast vom Kamin weg und deponie r te ihn in einer Ecke.
    »Ich glaube, einen Teil des Problems, über das wir vorhin sprachen, hast du geklärt«, bemerkte Shoky mit einem anerkennenden Unterton. »Es ist wirklich bedauerlich, dass du kein Junior mehr bist.«
    »Lässt sich nicht ändern«, erwiderte ich. »Ich muss jetzt gehen. Mein Junior wartet auf mich.«
    Schweigend nickte mir Shoky zu. Ohne mich von jemandem zu ve r abschieden, verließ ich den Seniorclub.

4 Gerüchte
    M ein neues Zuhause erreichte ich, ohne mich zu verlaufen. Mein Junior war noch nicht zurück, doch die Tür öffnete sich problemlos, s o bald ich die Hand auf die Klinke legte.
    Als ich den Tisch mit den vor sich hintrocknenden Wurstbroten sah, war es vorbei mit meiner ehrlichen Absicht, auf Len zu warten und mit ihm gemeinsam zu essen. Ich vertilgte nicht weniger als die Hälfte der Dinger, trank fast den ganzen Saft aus der Flasche und lümmelte mich in den Sessel. Ob hier zum Abendessen nie gekocht wurde? O der warteten die jungen Verteidiger der Stadt auf den Besuch ihrer Mutter, die ihnen Borschtsch kochen und Buletten braten, ihre pie k feinen Hemden waschen und die Anzüge bügeln würde, um anschli e ßend wieder wer weiß wohin zu verschwinden?
    Als mir die Absurdität des Gedankens aufging, schnaubte ich. Na schön, warum nicht mit dieser Logik fortfahren? Was war das denn nun für eine Märchenwelt, in die ich da geraten war?
    Hier herrschte ewige Nacht. Und es waren dunkle Kräfte am Werk, die ihren Namen selbstverständlich nicht umsonst trugen! Die dunklen Kräfte waren die Freiflieger, diese Geschöpfe der Finsternis …
    Kaum erinnerte ich mich jedoch wieder an das Flügelschlagen in der Düsterkeit, die dunkler war als jede Nacht, da verging mir das Lachen. Unwillkürlich fuhr ich zusammen und dachte gleich etwas ernster ü ber alles nach.
    Es gab hier Städte, in denen Menschen lebten. Diese Menschen ha t ten Flügel, mit denen sie gegen die Freiflieger kämpfen konnten. Die Flügel waren aber nur für Jugendliche geeignet. Deshalb waren es die Jugendlichen, die kämpfen mussten. Klang das logisch? Absolut.
    Aber was machten dann die Erwachsenen? Offenbar gingen sie w e niger heldenhaften Beschäftigungen nach: Sie bauten Häuser, hüteten Vieh, bestellten Felder … Das heißt: Was wollten sie hier säen, wo es doch kein Licht gab? Andererseits: Das Gras und die Bäume schafften es ja auch, irgendwie zu wachsen. Vielleicht hatte sich also auch der Weizen angepasst? Ich guckte mir eines der Wurstbrote von allen Se i ten an. Das Brot sah völlig normal aus.
    Okay, also weiter. Wer profitierte von dieser Situation? Wer hatte das Sagen? Die Freiflieger? Irgendwie schien man hier in dieser Stadt keine sonderliche Angst vor ihnen zu haben. Verließen die Flügeltr ä ger allerdings die Stadt, riskierten sie, getötet zu werden, das imme r hin wusste ich schon. Der Krieg zwischen ihnen steckte aber irgen d wie in der Sackgasse, das sprang sofort ins Auge. Man bräuchte also nur mit den Freifliegern zu reden und eine friedliche Lösung zu fi n den. Für diese Vermittlungsaufgabe war ich absolut geeignet, denn ich kam aus einer anderen Welt und betrachtete alles mit einem frischen Blick.
    Mir blieb keine Gelegenheit, mich an meinen fundierten und opt i mistischen Schlussfolgerungen zu freuen, denn die Tür flog auf und Len stürmte ins Haus.
    »Ist dir jemand auf den Fersen?« Automatisch setzte ich mich o r dentlich hin.
    »Mir? Nein, ich habe mich nur beeilt.« Len kam an den Tisch und setzte sich neben mich. »Ich bin in euerm Club vorbeigegangen, aber du warst schon weg. Ich habe mir Sorgen gemacht, du könntest dich verlaufen haben … Gab es im Club irgendwelche Probleme, Danka?«
    »Warum fragst du?«
    »Weil mich alle so … so merkwürdig angestarrt haben.« Len e r schauderte. »Gab es Streit?«
    »Ja.«
    »Mit wem?«
    »Leider hat er sich mir nicht vorgestellt. Und nach unserer Ause i nandersetzung war ihm offenbar die Lust vergangen, sich mit mir zu unterhalten.«
    »Klasse!« Len strahlte

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