Der Herr der Finsternis
mir gefällt das, Danka?«, fragte der Kater seu f zend. »Aber nur im Märchen vollbringt ein guter Mensch wirklich nichts Schlechtes. Im Leben verhält es sich anders. Wenn das Licht hier gegen die Finsternis kämpft, muss es rücksichtslos sein. Einen anderen Weg gibt es nicht, siehst du das denn nicht ein?«
»Das soll eine Lösung sein?! Eine Stadt anzünden? Und die Me n schen, die dort wohnen?«
»Natürlich nicht die ganze Stadt … Obendrein käme vermutlich ni e mand zu Schaden … Es dürfte genügen, ein paar Flaschen mit Schwarzem Feuer überm Stadtzentrum abzuwerfen, wo ja kaum j e mand wohnt. Dann brennen die Clubs, die Werkstätten und Lager … Und selbst wenn ein paar Wohnhäuser in Flammen aufgehen sollten – das ist doch schließlich keine Atombombe! Allen wird genug Zeit zur Flucht bleiben! Danach greifen die Flügelträger die Freiflieger gara n tiert an!«
»Und dann schlachten sich alle gegenseitig ab! Schließlich verstehen die Freiflieger etwas vom Kampf!«
»Nein, Danka. Es geht nur darum, die Freiflieger abzulenken, damit sie alle Kräfte auf einen Schauplatz konzentrieren. In der Zwische n zeit werden wir ihren Hauptturm angreifen.«
Sobald der Kater mir den Plan mit seinen eigenen Worten schilderte, hörte er sich komischerweise gar nicht mehr gemein und grausam an. Mehr wie eine Kriegslist. Okay, in der Stadt würden ein paar Häuser abbrennen – aber dafür würden wir die Freiflieger besiegen.
Mannomann, wie hatte ich bloß so auf der Leitung stehen können?
»Aber was können wir im Hauptturm ausrichten? Müssen wir etwa bloß diesen Herrn der Finsternis umbringen – und schon hauen alle ab und die Sonne kommt zurück?«
»Ich weiß es nicht, Danka«, erklärte der Kater müde. »Wie ich schon gesagt habe, ist mir selbst nicht alles klar. Aber ich spüre, dass wir den Hauptturm angreifen müssen.«
»Und wo nehmen wir das Schwarze Feuer her?«
»Gibt es etwa nicht genügend Türme in der Umgebung? Ihr beide, Len und du, werdet doch wohl mit ein oder zwei Freifliegern fertig werden! Wir zerstören einfach einen Turm und holen uns das Schwa r ze Feuer. Da schlagen wir gleich zwei Fliegen mit einer Klappe … «
»Aber die Freiflieger im Turm müssen wir doch töten!«
»Ja und?«
Das war ’ s. Das war mein letzter Einwand gewesen, mehr konnte ich nicht vorbringen. Weitere Argumente fielen mir nicht ein. Nun bohrte sich ein dumpfer, düsterer Schmerz in mein Herz.
»Junior … « Hilflos sah ich zu Len rüber. »Das ist deine Stadt … En t scheide du.«
Len betastete seine Nase. Da sie nicht mehr blutete, holte er ein T a schentuch heraus und putzte sie sich vorsichtig.
»Mir ist von Anfang an klar gewesen, dass wir keine andere Mö g lichkeit haben«, meinte er.
Und noch einmal: Das war ’ s. Wenn sogar Len mit dem Plan einve r standen war …
»Wir könnten das Schwarze Feuer doch auch über eine andere Stadt gießen, oder?«, schlug ich vor. »Hier leben deine Freunde … « Beinahe hätte ich noch hinzugefügt: und deine Mutter, aber zum Glück stoppte ich mich noch rechtzeitig.
Außerdem: Auf eine andere Stadt, das ginge sowieso nicht. Das w ä re hundsgemein.
»Wer soll denn das Feuer ausgießen?«, fragte ich den Kater mit e i ner Selbstverständlichkeit, als ob die Flaschen mit dem Zeug schon einsatzbereit im Schrank standen.
»Du«, antwortete der Kater wie aus Pistole geschossen. Als er mein Gesicht sah, fügte er rasch hinzu: »Ich kann es nicht, rein körperlich. Meine Pfoten würden mir den Dienst verweigern – schließlich ist es ja etwas Böses. Und das ist gegen meine Natur. Und Len sollte es nicht machen, denn darauf wartet die Finsternis doch nur. Da bleibst nur du, Danka, versteh das doch.«
Ach ja, ich musste ja immer alles verstehen …
»Bist du wütend auf mich, Danka?« Der Kater verlangte, dass ich ihn ansah.
»Das habe ich mir inzwischen abgewöhnt.«
Wir besprachen noch verschiedene Punkte, doch im Grunde kam es auf die nicht mehr an, das war bloß Kleinkram. Die Entscheidung stand ja schon fest. Wenn mir doch bloß noch eine andere Lösung einfiele …
Ich ging in mein Zimmer und schaute mit dem Wahren Blick in den Spiegel. Ich sah, dass mein erwachsenes Ich lächelte. Nur ganz leicht und ein bisschen traurig. Aber es lächelte.
Der Kater hatte schon gewusst, wen er unter seine Fittiche nehmen musste.
Ich knüpfte das Schwert des Tuak vom Gürtel und auch die leere Scheide des Wahren Schwerts und hängte beides an die Wand.
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