Der Herr der Finsternis
Geräusch drehte der Freiflieger langsam den Kopf. Len hielt mitten in der Bewegung inne. Ein kalter, gläserner Blick tastete uns ab.
»Gebt mir Wasser«, verlangte der Freiflieger mit heiserer, aber übe r raschend voller Stimme.
Meine Benommenheit verflog. Ich näherte mich dem Bett, wobei ich die Hand am Schwert behielt. Der Kater folgte mir, leise fauchend.
»Keine Bewegung!«, warnte ich den Freiflieger.
Der setzte bloß ein starres Lächeln auf. »Das geht sowieso nicht. Ich bin krank. Ich sterbe. Gebt mir Wasser.«
»Warum sollten wir?«, meinte Len giftig.
Ich knüpfte schweigend meine Flasche vom Gürtel und hielt sie dem Freiflieger an die Lippen. Er nahm ein paar gierige Schlucke, bevor er das Gesicht wieder abwandte.
»Das reicht. Es gibt nicht mehr viel in mir, das Wasser bräuchte. Aber ich hatte solchen Durst.«
»Trotzdem stirbst du gleich«, sagte Len.
»Ja«, meinte der Freiflieger. »In fünf Minuten … höchstens.«
»Mir war nicht klar, dass ihr auch krank werdet«, sagte ich.
»Wir leiden am Alter. Später als ihr … aber trotzdem.« Der Freifli e ger sah mich lange an. »Verstehe«, bemerkte er schließlich. »Du bist nicht von hier. Du bist gekommen, um uns zu besiegen … «
»Ja! Und er wird auch siegen!«, mischte sich der Kater ein. Er war total angespannt, machte einen Buckel und sah den sterbenden Fre i flieger mit einem Trotz an, den ich nie für möglich gehalten hätte. Wie in Zeitlupe drehte dieser den Kopf. Ich meinte, ein seltsames Kni r schen zu hören. Eine Staubwolke setzte sich auf dem Laken ab, an der Stelle, wo der Kopf des Freifliegers gelegen hatte.
»Oh … ein Abgesandter des Lichts … und was für ein komischer … «
Er streckte die Hand nach dem Kater aus und das Knirschen wurde lauter. Sandkörner rieselten zu Boden.
Der Kater brachte sich mit einem Sprung in Sicherheit. »Was soll das?«, fragte er erstaunt. »Fürchtest du dich denn nicht vor mir?«
»Nicht mehr … spielt jetzt keine Rolle mehr. Kater … ich hatte auch mal … einen guten … Das ist … recht lange her … Woher kommst du, Junge?«
Das Gesicht des Freifliegers nahm eine erdige, graue Farbe an, bei jedem Wort stieg aus seinem Mund eine Staubwolke auf. Als ich an t worten wollte, brachte ich keinen Ton heraus. Die Angst verstopfte mir die Kehle.
Der Freiflieger brabbelte mittlerweile nur noch unzusammenhä n gendes Zeug daher. Irgendwann schlug seine Hand auf dem Boden auf und ein Finger brach ab. An der steinernen Hand glänzte die Bruc h stelle feucht wie Lehm.
»Weshalb seid ihr hergekommen? Der arme Turm … Wir Freiflieger sterben selten an Altersschwäche. Ihr versteht was vom Töten … We s halb seid ihr gekommen?«
»Wir brauchen das Schwarze Feuer.« Endlich brachte ich ein Wort heraus.
»Ah … « Wie grauer Putz blätterte die Haut des Freifliegers in se i nem Gesicht ab. »Ja, versuch du es … ich konnte es nicht … «
»Bring ihn um, Danka!«, schrie der Kater.
»Halt den Mund, du Biest!«, fuhr ich ihn an. »Was meinst du damit, Freiflieger?«
Aber er war schon bei einem anderen Thema. »Das Schwarze Fe u er … unterm Schrank … unten … die Luke. Dort gibt es noch einen Vorrat … Nimm … «
Jetzt bewegten sich nur noch seine Lippen. Alles andere war bereits versteinert, das Gesicht und die Hände, sogar über den Augen lag ein trüber, grauer Schleier. Trotzdem flüsterte er noch weiter: »Du kom i scher Kater … ich wollte es auch … aber ich konnte es nicht … was spielt das noch für eine Rolle, wofür wir kämpfen … ich wollte … «
Dann verstummte er.
Wenn der Freiflieger uns nichts von dem Geheimfach erzählt hätte, hätten wir es nie entdeckt. In ihm befanden sich vier Flaschen mit Schwarzem Feuer, außerdem noch eine andere verdächtig aussehende Flüssigkeit, ebenfalls in Flaschen, die wir jedoch nicht anrührten, s o wie ein merkwürdiger feiner Degen, den ich herausnahm und auf den versteinerten Freiflieger legte. Ein Lederbeutel in der Ecke des Ve r stecks enthielt allerlei Krimskrams: eine unbekannte Münze, einen Kerzenstummel, ein durchsichtiges Kristall, einen roten Gummiball, einen großen Schlüssel aus Bronze, ein Taschenmesser, einen Ble i stift … Diese Sachen hatten dem Freiflieger wahrscheinlich etwas b e deutet, als er noch ein Mensch gewesen war. Ich legte sie ebenfalls neben ihn hin.
In einem der leeren Zimmer fand ich auf dem Tisch eine Bleistif t zeichnung, mit schnellen Strichen hingeworfen, aber gut
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