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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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gelungen. Len erzählte ich nichts davon. Die musste Kurt gezeichnet haben, nachdem er zum Freiflieger geworden war, daran bestand für mich kein Zweifel. Auf der Rückseite stand der Titel: Meine Stadt. Eine Stadt war jedoch gar nicht zu sehen, sondern nur Gesichter. Ich e r kannte Shoky, der ein sehr ernstes Gesicht hatte, auf dem sich aber ein Lächeln andeutete, Iwon, der jetzt ein aufgeschwemmter, fetter Kerl war und die Arme vor der Brust wie zum Gebet verschränkt hatte, und Gert, einen zahnlosen Mann mit funkelnden Augen, der geifernd sprach. Auch Len war abgebildet.
    Ich zündete die Zeichnung an und legte sie auf den ganzen Kram in der Ecke. Anschließend öffnete ich das Fenster und der Wind fachte das Feuer an. Kurt hatte auch als Freiflieger noch gut gezeichnet, wahrscheinlich hatte er die Menschen nicht mal verfälscht. Er hatte sie einfach unter einem anderen Blickwinkel gesehen. Da hatte der alte Freiflieger ja recht. Entscheidend ist, aus welcher Blickrichtung du die Dinge betrachtest, dann stellst du dich automatisch auf die für dich richtige Seite.
    Als wir zu der Plattform oben an der Spitze zurückgelangten, stieg aus den unteren Stockwerken des Turms bereits Rauch auf. Len ve r staute die Flaschen mit dem Schwarzen Feuer sorgfältig in einer T a sche. Eine nahm ich ihm jedoch ab.
    »Was soll das?«, fragte er mit gerunzelter Stirn.
    »Er hat das verdient«, antwortete ich, ohne zu präzisieren, wer.
    Len widersprach mir nicht, knöpfte die Tasche zu und erhob sich in die Luft.
    Der Kater schaute mich finster an. »Warum hast du mich vorhin so angefahren?«
    »Weil du genau gewusst hast, wovon der Freiflieger redet«, antwo r tete ich knapp.
    Der Kater seufzte und es klang fast wie bei einem Menschen. Dann flog er Len nach.
    Ich blieb noch kurz an der offenen Luke stehen. »Ich werde nicht zögern«, sagte ich schließlich, bevor ich die Flasche durch die Öf f nung warf. »Ich bin stärker.«
    Der Turm stand sofort in Flammen. Kaum hatte ich die Flügel au s gebreitet, trug mich die heiße Luft schon nach oben.
    Zu Hause legte ich mich in die Badewanne. Ich füllte sie bis zum Rand, gab Schaumbad hinzu und ließ mich zwanzig Minuten aufwe i chen. Der Rauchgeruch war mir in die Haare gekrochen und meine Schultern taten mir vom vielen Fliegen weh.
    Das heiße Wasser vertrieb meine Müdigkeit zwar nicht, verwandelte sie jedoch in eine angenehme Schlaffheit. Schließlich drehte ich das kalte Wasser auf und duschte mich so lange ab, bis ich bibbernd aus der Wanne sprang. Jetzt ging ’ s mir wieder gut. Ich rubbelte mich mit einem dünnen, viel zu weichen Handtuch ab, zog mir Shorts und ein T-Shirt an und ging nach unten. Len saß am Tisch, ebenfalls frisch gebadet und zufrieden, während der Kater es sich im Sessel bequem gemacht hatte und sich putzte.
    Anscheinend hatten wir uns alle ziemlich dreckig gefühlt.
    »Willst du Suppe, Danka?«, rief mir Len entgegen, kaum dass er mich auf der Treppe erblickte. Er spielte jetzt wieder den Junior, g e nau wie damals, als wir uns kennengelernt hatten.
    »Ja«, antwortete ich lächelnd. »Und vermutlich werde ich sogar um einen Nachschlag bitten.«
    »Wollen wir nicht erst alles durchsprechen?«, schlug der Kater mit finsterer Miene vor, aber Len und ich schüttelten den Kopf.
    »Habt ihr euch etwa gegen mich verschworen?«, schnaubte der K a ter und machte sich über sein gebratenes Fleisch her. Suppe mochte er nicht.
    Wir aßen ziemlich schnell. Lens Tasche stand in einer Ecke des Zimmers, hin und wieder blickten wir alle automatisch zu ihr rüber.
    »Könnten wir jetzt zur Sache kommen?«, meinte der Kater noch einmal.
    »Okay«, sagte ich und schob den Teller weg.
    Gegen die Entschlossenheit des Katers wären wir sowieso nicht a n gekommen.
    »Wir sind kurz davor, uns zu streiten, oder, Danka?«, fragte er und packte damit den Stier bei den Hörnern.
    »Hmm«, gab ich zu, wobei ich sogar eine gewisse Genugtuung em p fand.
    »Das ist nicht gut!«, verkündete der Kater hitzig. »Wo wir doch schon so viel erreicht haben! Du hast das Wahre Schwert, wir haben das Schwarze Feuer, wir können endlich die en t scheidende Schlacht zwischen Gut und Böse in Gang setzen. Wir h a ben alle Aussichten auf Erfolg! Aber nur, wenn wir zusammenha l ten … «
    »Kater!«, fiel ich ihm ins Wort. »Dann erklär mir doch mal, warum sich dieser Freiflieger, als er noch ein Mensch war, nicht dazu durc h gerungen hat, die Stadt anzuzünden und die entscheidende Schlacht

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