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Der Herr der Finsternis

Der Herr der Finsternis

Titel: Der Herr der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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würde er sogar seine Stadt anzünden …
    Ich schielte zu Len rüber. Würde er noch einmal versuchen, mich davon abzubringen, das Schwarze Feuer abzuwerfen? Nein, er schwieg. Auch gut.
    Dann würden am Ende alle die Schuld auf mich schieben.
    Was ja auch stimmte, schließlich hatte ich den Kater mitgebracht.
    Wir beschlossen, die Sache in einer Stunde in Angriff zu nehmen, da würde es schon spät und die Straßen leer sein. Klar, dabei beobachten konnte man mich auch dann noch, aber dieses Risiko mussten wir eingehen.
    Die Zeit zog sich in die Länge wie am Silvesterabend. Wir tranken Tee und Gert fragte mich noch einmal über den Turm der Freiflieger aus und über das Wahre Schwert. Ich zeigte ihm die leere und leichte Scheide. Irgendwann brummte Len, er würde mal kurz nachsehen, ob noch viele Leute unterwegs waren. Er ging hinaus, wir unterhielten uns weiter. Wir Idioten!
    Mir fiel als Erstem auf, dass mein Junior verdammt lange wegblieb. Ich schaute in die Ecke hinüber. Lens Tasche lag noch dort, wirkte allerdings ziemlich schlaff. Ich ging hinüber und öffnete sie.
    In der Tasche lag ein eingerollter alter Flügeloverall.
    Mehr nicht.

4 Das Duell
    F insternis hing über der Stadt. Von den Bergen wehte ein kalter, bö i ger Wind herüber, selbst durch den Flügeloverall drang die eisige Kä l te in meinen Körper. Der Himmel war leer, weder mit der Brille noch mit dem Wahren Blick konnte ich Len entdecken.
    Wir standen auf der Abflugplattform des Turms und spähten in alle Richtungen, als erwarteten wir, Len würde gleich zurückkehren und uns das Schwarze Feuer wieder aushändigen.
    »Er darf die Stadt unter keinen Umständen anzünden«, meinte Gert traurig. »Nicht er … «
    »Richtig«, pflichtete der Kater ihm bei.
    »Warum hast du Len dann überhaupt gehen lassen?«, fragte ich. Nicht aus Bosheit, sondern weil ich mir wirklich sicher war, dass der Sonnenkater gesehen hatte, wie Len das Schwarze Feuer aus der T a sche holte.
    »Spar dir deine Anklagen, Danka!«, erwiderte der Kater. »Ich hatte keine Ahnung, was er im Schilde führte! Nicht mal im Traum habe ich daran gedacht, Len in diesen Einsatz zu schicken! Wo waren denn deine Augen, Senior?«
    »Meine Augen! Die liegen auf dem Platz im Dreck! Und für die neuen bin ich nicht verantwortlich, die sind schließlich aus Licht!«
    »Pst!«, ermahnte Gert uns. »Da kommt Len!«
    Len sank im Sturzflug tiefer und tiefer, ein winziger Fleck nur, der sich kaum vom Himmel abhob. Hundert Meter über dem Boden bre i tete er die Flügel aus, erst nur ein wenig, dann voll. So bremste er ab, als hinge er an zwei kleinen Fallschirmen. Als ich mir vorstellte, wie der Wind auf Lens Arme einpeitschte, taten mir selbst die Schultern weh.
    Erst unmittelbar über unseren Köpfen schlug Len mit den Flügeln und landete so sanft auf dem Turm wie sonst auch.
    Unser Anblick erstaunte ihn in keiner Weise. Er legte die Flügel an und kam zu mir.
    »Weshalb hast du das gemacht?«, fragte ich leise.
    Len zuckte nur die Schultern. »Wolltest du das denn nicht?«
    Wie kam er denn darauf? Ich hatte die Stadt nicht selbst anzünden wollen – das war ja wohl was anderes. Aber einer musste es tun. Da hatte Len eben für mich entschieden.
    Und er konnte für mich entscheiden, weil ich mich in der Tat nicht um diese Aufgabe gerissen hatte.
    »Wo sind die Flaschen?«, fragte der Kater in scharfem Ton.
    Len wies mit einer unbestimmten Geste zum Himmel. »Da oben. Sie fallen noch. Der Wind ist stark. Keine Ahnung, wo sie runterko m men.«
    Unwillkürlich trat ich einen Schritt von Len weg. Denn ich hatte mich erinnert, wer in so kurzen, abgehackten Sätzen sprach.
    Lächelnd ließ Len den Blick zwischen dem Kater und mir hin- und hergleiten.
    »Runter vom Turm«, sagte er. »Die Flaschen schlagen gleich auf. Nicht, dass wir sie abkriegen!«
    Ich schüttelte nur den Kopf. Lens Gesicht sah ganz normal aus und bis auf seine Art zu sprechen schien er auch sonst der Alte zu sein. Trotzdem sah ich ihn mir lieber nicht mit dem Wahren Blick an.
    »Wir müssen ins Haus«, wiederholte Len.
    »Nein.« Ich brachte das Wort mit einer Erleichterung heraus, die mich überraschte, denn ich wusste nur zu gut, dass diese Entscheidung nicht klug war. Genauso gut wusste ich aber auch: Ich würde es mir nicht anders überlegen. »Ich bleibe hier.«
    »Ich bleibe auch hier, Danka.« Gert legte mir die Hand auf die Schulter und warf mir dabei einen ernsten Blick zu.
    Der Kater fing an, herumzuzappeln, sagte

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