Der Herr der Habichts - Insel
vorzuspielen, um meine Haut zu retten. Ich habe mit dieser Abmachung nichts zu tun, Hormuze. Einar erzählte mir erst gestern von dem Handel mit dem König. Ich sagte ihm die Wahrheit, doch er wollte unbedingt Schwager des Königs werden. Ihm ging es um Macht und Reichtum.«
»Schwörst du mir, daß du keine Jungfrau mehr bist? Daß du wirklich mit diesem Rorik Haraldsson verheiratet bist?«
»Ich schwöre es.«
Wenn er sie töten wollte, würde sie sich gegen ihn wehren, bis die letzte Kraft aus ihr gewichen war.
Doch er ging immer noch auf und ab. Anscheinend schmiedete er erneut Pläne und versuchte, das Beste aus der Situation zu machen.
»Laß mich gehen, Hormuze. Bring mich zu meinem Gemahl zurück. Ich gehöre zu ihm, nicht zu dir oder einem anderen. Ich liebe ihn. Bitte habe doch Verständnis.«
Er drehte sich zu ihr um und lächelte auf sie herab. »O nein«, sagte er. »Ich lasse dich niemals gehen.«
»Doch, das wirst du.«
Beim Klang von Roriks Stimme entfuhr Mirana ein Schrei. Hormuze wirbelte herum und sah einen riesigen Wikinger-Krieger vor sich stehen, braungebrannt mit goldblonden Haaren. Ein kraftvoller Riese, der völlig gelassen und selbstbewußt dastand, den Blick auf Mirana gerichtet. Und seine Augen waren hungrig. Hormuze erkannte diesen Hunger, den er selbst nach seiner geliebten Gemahlin verspürt hatte. Und dann hörte er eine Kinderstimme. Ezes Stimme. Und eine nie gekannte Angst stieg in ihm auf.
»Rorik«, rief Mirana. »Du bist da. Wie sehr habe ich die Götter angefleht, daß du kommst.«
»Natürlich bin ich gekommen. Ich hätte die ganze Erde nach dir abgesucht. Du bist meine Frau.« Er wandte sich an Hormuze und blickte ihn sehr lange an. Dann sagte er über die Schulter: »Hafter, bring Eze.«
Hormuze wollte sich auf den riesigen Wikinger stürzen, obwohl er gegen ihn keine Chance hatte. Der Kerl hatte seine Tochter entführt. Er mußte ihn töten.
Eze betrat das Gemach an der Hand eines anderen Wikingers. Auch er hatte diese unschuldigen, blauen Augen. Doch Hormuze wußte, diese Wikinger töteten so rasch und bedenkenlos, wie sie liebten, lachten oder ihren Met tranken.
»Eze«, sagte er und breitete die Arme aus. Die Kleine wäre zu ihm gelaufen, hätte der Wikinger sie nicht zurückgehalten.
»Ich bringe dir deine Tochter, Hormuze«, sagte Rorik. »Aber ich schlage dir einen Tausch vor. Meine Gemahlin gegen deine Tochter. Einverstanden?«
»Sie gehören beide mir!« Hormuze war drauf und dran, sich auf den verfluchten Wikinger zu stürzen, der so gelassen und überlegen dastand. Er wollte ihm einen Dolch in die Brust jagen oder Gift in seinen kräftigen Hals schütten und Zusehen, wie seine Muskeln sich krampfartig zusammenzogen, bis er in zuckenden Verrenkungen vor ihm lag wie der König.
»Papa«, meldete sich Eze, ohne Anstalten zu machen, sich aus Hafters Griff zu befreien. Ihre Stimme klang sehr erwachsen: »Rorik sagte mir, was du getan hast und warum. Er erkannte, daß ich Mirana ähnlich sehe. Und weil du meine Mama so gern wiederhaben wolltest, hast du ihm Mirana weggenommen. Aber Papa, sie ist nicht meine Mama. Sie gehört Rorik. Bitte, Papa, laß sie gehen. Rorik will uns nichts Böses tun. Hast du sie denn lieber als mich?«
Die Worte seines Kindes trafen ihn tief ins Herz. Hormuzes Gesichtszüge verzerrten sich vor Schmerz. Rorik wartete. Er sah, wie Mirana still abwartete. Nur ihre Augen glänzten wachsam. Sie saß wie eine Opfergabe für eine fremde Gottheit in einem weißen, glänzenden Gewand, unter welchem sich ihre Brüste und ihr flacher Bauch abzeichneten, auf einem Seidenpolster.
»Die meisten Männer, die mir in diesem Land begegneten, verdienen meine Verachtung«, sagte Hormuze. »Sie sind eitel und habgierig und würden ihren eigenen Bruder umbringen, wenn ihnen daraus Vorteile erwüchsen. Doch du bist anders.« Er wandte sich an seine Tochter. »Hat er dir wehgetan?«
»Aber nein, Papa. Rorik und ich haben uns auf der Fahrt nach Clontarf viel erzählt. Er war sehr traurig ohne Mirana. Ihr Halbbruder hat sie entführt und gezwungen, den alten König zu heiraten. Rorik will Einar töten und mit Mirana zurück in seine Heimat segeln. Er sagte mir, ich muß keine Angst haben. Er weiß, daß du ein kluger Mann bist und daß du schnell mit ihm einig wirst. Das stimmt doch, Papa, nicht wahr?«
»Ja«, antwortete Hormuze. Eine andere Antwort war nicht möglich. »Nimm deine Frau, Rorik Haraldsson. Sie ist keine gefügige Frau. Sie sagt die
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