Der Herr der Habichts - Insel
Haar hing ihr strähnig über Rücken und Schultern. Sie starrte ihn hohlwangig und aus glasigen Augen an. Er glaubte, einen Funken Haß in ihren Augen aufleuchten zu sehen, der sogleich erlosch. Kerzog beäugte sie wachsam, ohne zu knurren.
»Ich sagte dir bereits, meine Männer haben kein Interesse an dir. Du bist nur Haut und Knochen. Ein Mann muß schon am Verhungern nach einer Frau sein, ehe er sich an dir vergeht. Das Bad im Meer hat zwar den schlimmsten Gestank weggespült, aber du siehst immer noch aus wie eine nasse Ratte. Du gehst nicht in den Hauptraum. Leg dich ins Bett. Ich sage es nicht noch einmal. Kerzog, paß auf sie auf. Sie darf die Kammer nicht verlassen.«
Sie rührte sich nicht. Sein Hund, den er als Welpe zu sich genommen hatte, blickte die Frau unverwandt an.
Rorik schaute stirnrunzelnd seinen Hund, dann sie an. Er trat einen Schritt auf sie zu. Sie rührte sich immer noch nicht von der Stelle.
»Was willst du?«
»Ich muß mich erleichtern«, preßte sie zwischen den Zähnen hervor, haßte ihn dafür, dieses Anliegen aussprechen zu müssen. Doch nach den drei Tagen auf dem Schiff war das ohnehin unbedeutend.
Fluchend fuhr er sich mit den Fingern durchs Haar. »Komm!«
Er setzte die Schale mit Eintopf neben dem Bett ab, befahl dem Hund, sich fernzuhalten, und verließ die Kammer. Sie schlurfte hinter ihm her, in die Decke gewickelt, die auf dem Boden schleifte. Kerzog folgte zögernd.
Sie ging durch das Langhaus. Die lärmenden Gespräche verstummten bei ihrem Erscheinen. Der Mann führte sie zu einem kleinen Schuppen. »Beeil dich! Ich warte hier.«
Als sie wenige Minuten später den Schuppen verließ, winkte er ihr, ihm zu folgen. Diesmal führte er sie in ein Gebäude aus Stein und Holz. Im Inneren gab es einen Vorraum mit Bänken an den Wänden. Es war ein Badehaus. Sie schöpfte Hoffnung und folgte ihm in einen kleinen, quadratischen Innenraum, der mit heißem Dampf gefüllt war. In der Mitte befand sich eine Feuerstelle mit glühenden Kohlen. Der Boden war mit Holzplanken bedeckt, an den Wänden standen schmale Bänke. Er riß ihr die Decke weg. »Rühr dich nicht von der Stelle. Wenn du dich bewegst, werfe ich dich wieder ins Meer. Mein Hund wird dich zerfleischen. Er ist sehr gefährlich. Erbeschützt mich und meine Insel, die du so schmähst.«
Sie stand zitternd in den Dampfschwaden, bemüht, ihre Nacktheit zu bedecken. Er starrte sie an, doch sie wußte, daß er sie abstoßend fand. Er ging und kam mit einem Eimer in jeder Hand zurück. Sie wußte, was nun kam, und hielt die Luft an. Er goß einen Eimer heißes Wasser über sie. Dann reichte er ihr ein Stück Seife.
»Wasch dich und mach schnell!«
Sie gehorchte nur zu gern. Sie bemerkte nicht einmal, daß er sich wieder entfernte. Nie zuvor im Leben hatte sie den Luxus von Seife und heißem Wasser so genossen. Es war herrlich. Er hatte den zweiten Eimer mit heißem Wasser neben sie gestellt. Sie spülte ihr Haar und seifte es erneut ein. Als sie sauber war, wartete sie.
Er kam und musterte sie mit grimmigem Gesicht. »Halt still.« Langsam goß er ihr einen zweiten Eimer Wasser über den Kopf. Dann trat er einige Schritte zurück und schüttete mit einem Schwung eiskaltes Wasser über sie.
Sie erschauerte und stieß einen Schreckenslaut aus. Er lachte. Sie reagierte nicht anders als er. Offenbar gab es in Clontarf ebenfalls ein Badehaus.
Nachdem sie trocken war, reichte er ihr die Decke und bedeutete ihr, ihm zu folgen.
Wieder erstarben die Gespräche im Langhaus. Weder nach links noch nach rechts blickend, folgte Mirana dem Mann in seine Schlafkammer und setzte sich auf die Bettkante. Er warf ihr einen Hornkamm zu. Kerzog war ihnen diesmal nicht in die Schlafkammer gefolgt.
»Iß, bevor du wieder zusammenbrichst.«
Gehorsam nahm sie die Schale Eintopf zur Hand, die kalt geworden war, probierte einen Löffel und spuckte alles aus. Das talgige, fettige Zeug schmeckte widerlich. Die Fleischbrocken waren zäh, in der Brühe schwammen klebrige Roggenklumpen. Sie war zwar hungrig, aber nicht am Verhungern. Sie zwang sich, einen zweiten Löffel zu essen, dann stellte sie die Schüssel weg. Noch einen Löffel, und sie würde sich wieder übergeben müssen. Ihr Magen zog sich in schmerzhaften Krämpfen zusammen.
Rorik schaute ihr verärgert zu. »Du sollst essen.«
Sie hielt die Decke fest über der Brust zusammen. »Es schmeckt wie Schweinetrank. Kaltes, abgestandenes Fett.«
Sie glaubte, er würde vor Wut platzen,
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