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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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regelmäßigen Atemzüge anzeigten, daß er eingeschlafen war.

Kapitel 6
    Rorik biß die Zähne aufeinander, als die Alte Alna gegen das rosige Fleisch des Wundrandes an seiner Schulter drückte. Sie drückte fester, machte unverständliche Schmatzgeräusche und strich eine stinkende Salbe auf die Wunde. Dann tätschelte sie ihn wie einen kleinen Buben und beruhigt ihn: »Es wird wieder gut. Du bist bald gesund, Herr. Die Wunde wurde gut gereinigt, als du gestochen wurdest. Damit hat dir jemand das Leben gerettet.«
    Rorik grunzte und entspannte sich, während sie seine Schulter mit weichen, sauberen Wollstreifen umwickelte. Nachdem der Verband befestigt war, stand er auf und lächelte die alte, verhutzelte Frau an. »Danke, Alna. Ich spüre keine großen Schmerzen mehr.«
    »Das glaube ich dir. Du hast gutes Blut wie deine Mutter. Bei ihr heilt jede Wunde in wenigen Tagen.«
    Rorik nickte und wandte sich zum Gehen.
    »Das Mädchen«, fing sie wieder an. »Was hast du mit ihr vor? Die Männer sagen, sie hat dich gesund gepflegt, damit ihr Bruder dich foltern kann. Stimmt das? Das verstehe ich nicht. Die Männer sagen auch, sie würde dich töten, wenn sie könnte. Sie ist eigentlich gar keine Frau, sie hat nur den Körper einer Frau. Sie ist eine böse und kaltherzige Hexe.« Die Alte Alna spie ins Feuer.
    Sollten seine Männer das alles gesagt haben? Rorik zweifelte daran. Die Alte Alna hatte eine blühendere Phantasie als ein Skalde. Wenn sie eine Eichel in die Erde senkte, wuchs über Nacht eine Eiche daraus.
    »Sie ist Einars Halbschwester und meine Geisel«, sagte er im Gehen. Und mehr zu sich selbst als zur Alten fügte er hinzu: »Ich durchschaue ihre Absichten nicht. Sie ist meine Gefangene. Halte dich von ihr fern. Man darf ihr nicht trauen.«
    Ihre schütteren Augenbrauen zogen sich in die Mitte der zerfurchten Stirn. »Hältst du sie in deiner Schlafkammer gefangen?«
    Ihre Unverschämtheit bedachte er mit einem Blick, bei dem seine Männer die Luft angehalten hätten. Doch Alna hatte geholfen, ihn zur Welt zu bringen; sie war nicht vom Bett seiner Mutter gewichen, als sie an der roten Ruhr erkrankt war. Sie war seiner Mutter sehr zugetan, und ihre Krankheit hatte ihr fast das Herz gebrochen. Ja, das war eine schlimme Zeit. Dank der unermüdlichen Nachtwachen der Alten Alna hatte seine Mutter die Seuche überstanden und war wieder gesund geworden. Die Alte Alna liebte ihn am meisten von seinen drei Geschwistern. Vor zwei Jahren war sie mit ihm auf die Habichtsinsel gekommen, als er sein kleines Gehöft in Vestfold, westlich der Handelsstadt Kapaung verlassen hatte. Seiner Meinung nach hatte es eine Absprache zwischen seiner Mutter und der Alten Alna gegeben.
    Er hatte allerdings nicht die Absicht, ihre Frage zu beantworten. Er blickte über die Schulter zu Erna, die eifrig am Webstuhl saß. Ihr verkümmerter rechter Arm behinderte sie nicht bei der Arbeit. Ihre Mutter soll beim Anblick des verkrüppelten Neugeborenen den Wunsch geäußert haben, sie zu ertränken, doch Ernas Vater hatte es verboten. Er war stolz auf seine Tochter. Sie wurde an Raki verheiratet, einen seiner Krieger, der zwei gesunde Arme besaß vom Umfang zweier mittlerer Krautfässer. Ihre beiden Buben waren gesund und kräftig wie der Vater. Erna summte bei der Arbeit vor sich hin. Zur Alten Alna gewandt meinte er: »Sie schlief noch, als ich heute morgen ging.«
    »Sie wird Hunger haben, wenn sie aufwacht. Sie braucht gutes Essen, um wieder zu Kräften zu kommen.« Und mit einem Seitenblick setzte sie hinzu: »Entti ist ja keine besonders gute Köchin. Soll ich deiner Gefangenen etwas Haferbrei bringen?«
    Er hatte ihr befohlen, den ekelhaften Eintopf zu essen oder zu hungern.
    Laut sagte er: »Warum läßt du Entti überhaupt kochen, wenn sie es nicht kann? Warum müssen wir alle darunter leiden?«
    Die Alte Alna hob die ausgemergelten Schultern. »Sie ist an der Reihe. Was soll ich tun? Es wurde so bestimmt. Du hast mich zum Vorstand deines Haushaltes gemacht, Herr Rorik. Ich tue mein Bestes. Willst du mir das Amt nehmen?«
    Rorik warf ihr einen gequälten Blick zu, wußte genau, daß ihr Jammern geheuchelt war. In letzter Zeit war Entti ständig an der Reihe, ihre fatalen Kochkünste unter Beweis zu stellen. Möglicherweise hatten die anderen Frauen sie darin unterwiesen, Essen zuzubereiten, das Magenkrämpfe und Übelkeit verursacht. »Ich schau mal nach, ob sie wach ist. Hat Entti den Haferbrei gemacht?«
    Die Alte Alna kicherte

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