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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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hatte er einige Männer zurückgelassen und war dreimal im Jahr hergekommen. Nun verließ er die Insel nur noch, um Handel zu treiben und auf Plünderfahrt zu gehen.
    Roriks Kriegsschiff Seerabe fuhr in die schmale geschützte Hafenbucht ein, auf die langgezogene Mole zu. Männer, Frauen, Kinder, Hühner und sogar eine Ziege rannten den schmalen Pfad zum Wasser herunter.
    Das Gehöft lag auf einer flachen Hügelkuppe, der höchsten Erhebung der Insel. Auf den Äckern gediehen Gerste, Weizen und Roggen. Dichtes Gestrüpp aus niederwüchsigen Fichten, Föhren und Dornensträuchern bildete eine nahezu undurchdringliche Ackerbegrenzung.
    Die Männer, die zuerst an der Mole waren, ergriffen die Leinen, die ihnen zugeworfen wurden, und vertäuten das Schiff. Frauen und Kinder blieben an Land und warteten. Frauen warteten immer, dachte Rorik und ließ den Blick über die Gesichter schweifen. Wenn er mit weniger Männern heimkehrte, als er ausgezogen war, schlug der Ausdruck der Wartenden von freudiger Erwartung in Trauer und Verzweiflung um.
    Roriks Leute sprangen auf die Mole, umarmten ihre Frauen, hoben lachend die johlenden Kinder in die Luft. Ein vertrautes Bild, das sich bei jeder Heimkehr wiederholte. Und diesmal mischten sich keine Tränen in die Wiedersehensfreude.
    Ihn erwarteten weder Frau noch Kind. Er schüttelte die Erinnerung an den Schmerz ab, an den er sich so sehr gewöhnt hatte. Er glaubte nicht mehr an Zeiten ohne Schmerz.
    Als der letzte Mann vom Seeraben gesprungen war, befahl Rorik der stummen Frau zu seinen Füßen: »Steh auf. Das ist meine Heimat. Die ganze Insel gehört mir. Es gibt keine Fluchtmöglichkeit. Los, komm!«
    Mirana, die seit den frühen Morgenstunden kein Wort gesprochen hatte, rappelte sich auf und hielt mühsam das Gleichgewicht auf dem schwankenden Boot. Die Insel besaß einen natürlichen Hafen und hatte damit einen enormen strategischen Vorteil. Kein Sturm konnte die Schiffe in der natürlichen Bucht zerstören. Von der Landzunge, die sich in das Meer erstreckte, konnten Feinde in großer Entfernung ausgemacht und die Bewohner rechtzeitig in Alarmbereitschaft gesetzt werden. Sie blickte ihm ins Gesicht und sagte: »Das ist nur ein winziger Fleck im Meer. Ich begreife nicht, warum du damit so prahlst. Ein Stückchen Land, mehr nicht. Ich möchte hier nicht leben. Warum lebst du hier und nicht auf dem nahen Festland?«
    Er war müde, seine Schulterwunde pochte, und er wollte schlafen. Und nun verhöhnte ihn dieses Weib auch noch.
    »Die Habichtsinsel ist groß genug für mich und meine Leute. Ich überlasse Ostanglien gern den Männern, die es vorziehen, ständig vor sächsischen Plünderern auf der Hut zu sein, die ihr Land zerstören und ihre Siedlungen plündern. Und jetzt halt den Mund.«
    Er sprang auf die Mole und drehte sich nach ihr um. Sie war in einem bedauernswerten Zustand. Ihr Gesicht war von der Sonne verbrannt, ihr Gewand verdreckt und vom Seewasser durchweicht, das in den letzten drei Tagen über sie geschwappt war. Ihr Haar hing ihr strähnig und glanzlos ins Gesicht. Doch ihre Zunge war nach wie vor messerscharf.
    »Du siehst aus wie eine alte Hexe«, sagte er und hielt ihr die Hand hin. »In dem Zustand könnte ich dich nicht einmal auf dem Sklavenmarkt verkaufen.«
    Sie blickte auf seine kräftige, sonnenverbrannte Hand. Seine Fingernägel waren schwarz gerändert. Sie schlug seine Hilfe aus und kletterte alleine an Land. Ihre Beine versagten, sie taumelte. Während der ganzen Fahrt war sie gefesselt gewesen. Hätte er sie nicht gehalten, wäre sie auf die Mole gestürzt.
    »Du stinkst«, sagte er und zerrte sie hinter sich her die Mole entlang. »Auf dem Schiff habe ich es nicht bemerkt. Der Seewind trug deinen Geruch fort.«
    »Er trug auch deinen fort.«
    Er blickte ihr gedankenvoll ins Gesicht. »Anfangs glaubte ich, die Männer könnten sich an dir vergehen. Du sahst ganz annehmbar aus mit deinem schwarzen Haar, der weißen Haut und den grünen geheimnisvollen Augen, recht ungewöhnlich. Und ein Mann probiert gern etwas Ungewöhnliches aus. Ich wette, die Männer hätten gern gewußt, ob das Haar zwischen deinen Beinen auch rabenschwarz ist. Aber sie behielten ihre Gedanken für sich. Sie hätten dich am liebsten über Bord geworfen. Du bist reizlos. Du hast nur wertvollen Platz auf meinem Schiff weggenommen. Du stinkst wie fauler Fisch. Du hast gegessen, unser kostbares Wasser getrunken, mich verhöhnt und geschmäht, bis ich dich am liebsten erdrosselt

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