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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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ihren Schrei. Es war sehr kalt, zu kalt für den milden Frühlingstag. Sie paddelte mit letzter Kraft mit den Armen, doch der schwere Wollrock zog sie unerbittlich nach unten. Sie wollte auch nicht mehr kämpfen, sondern nur noch auf den Meeresgrund sinken. Er würde sie ohnehin umbringen, und dieser Tod war schneller und leichter.
    Sie hörte nur noch das schadenfrohe Lachen der Männer und sank dann in die Tiefe. Rorik massierte sich die Schulter.
    Fluchend trat er an den Rand der Mole. Es verging geraume Zeit, bis ihr Kopf aus dem Wasser wieder auftauchte. Sie hustete, rang nach Luft, und ihre Arme schlugen wild um sich. Jetzt wurde ihm klar, daß sie nicht schwimmen konnte und kurz vor dem Ertrinken war.
    »Du verfluchte Hexe!« brüllte er. »Ich hätte es wissen müssen!« Damit sprang er ins Wasser und griff nach ihr.
    Sie wehrte sich vehement mit den Armen und traf seine verbundene Schulter, gurgelte erstickt und spie Wasserfontänen aus. Der Schmerz in seiner Schulterwunde raubte ihm beinahe den Atem. Er versetzte ihr einen Fausthieb gegen das Kinn, und ihr Kopf sackte leblos ins Wasser. Schimpfend schwamm er mit ihr an die Mole. »Hafter, zieh sie hoch!«
    Rorik stapfte grollend den Pfad hinauf und ging durch das hohe Tor aus Eichenplanken in das Langhaus, das sein Großvater erbaut hatte. Kerzog, der riesengroße schwarze Hund, kam ihm bellend entgegen und setzte ihm die Vorderpfoten auf die Brust. Fluchend nahm er Hafter die bewußtlose Frau ab und trug sie in seine Schlafkammer. Dort zog er ihr das triefende Gewand aus, streifte ihr das Hemd ab, zog ihr die Schuhe aus, warf sie aufs Bett, breitete eine Decke über sie und verließ die Kammer.
    An der Tür wandte er sich um und trat wieder ans Bett, zog ihr die Decke weg, drehte sie auf den Bauch und legte seine Hände auf ihren schmalen Rücken. Ihre Haut war blau vor Kälte. Über ihr kniend pumpte er den Rest Wasser aus ihrem Körper.
    Sie spuckte, hustete und spie sehr viel Salzwasser. Erstaunlich, daß sie überhaupt lebte. Er war so geistesgegenwärtig, ihr den Kopf seitlich über die Bettkante zu ziehen, sonst hätte das Salzwasser die Matratze aus Entenfedern ruiniert. Kerzog kauerte vor dem Bett und beäugte aufmerksam die würgende und speiende Frau.
    »Sie ist eine Hexe«, erklärte er dem Hund, und Kerzog schaute ihn mit hängender Zunge an. »Ich hätte sie ersaufen lassen sollen. Halte dich von ihr fern. Sie könnte dich beißen.«
    Er versetzte ihr einen kräftigen Schlag zwischen die Schulterblätter und drehte sie auf den Rücken. Sie schaute zu ihm, ihre Lippen waren blau, und ihr Gesicht war bleicher als das Weiß ihres Körpers, den er sich weigerte anzusehen.
    »Warum hast du mich nicht ertrinken lassen? Warum nicht?«
    »Ich hätte es tun sollen«, sagte er und zog die Decke bis zum Kinn hinauf. Dann holte er ein frisches Tuch aus der Truhe, legte es ihr unter den Kopf und breitete ihr triefnasses Haar darauf aus.
    »Hast du dich endlich ausgekotzt?«
    Sie nickte, zu müde und erschlagen, um ein Wort zu sagen. Hätte er sie nur ertrinken lassen. Obwohl sie sich einen leichten Tod wünschte, hatte etwas in ihr rebelliert, und sie hatte sich mit letzter Kraft nach oben gestrampelt. Er hatte ihr das Leben gerettet. Wäre er nur weitergegangen, wäre jetzt alles überstanden. Sie dachte an die vergangenen drei Tage, an die Demütigungen, die sie ertragen mußte, angekettet zu seinen Füßen liegend. Hätte er sie nur ertrinken lassen. Und jetzt hockte dieser riesige Hund vor ihr und starrte sie an. Ob das Vieh ebenso gemein und bösartig war wie sein Herr?
    »Bleib liegen und halt dich still. Ich bringe dir zu essen.«
    Er ging. Mirana setzte sich auf und schwang die Beine über den Bettrand. Der Hund rührte sich nicht. Sie beobachtete ihn und machte weitere Bewegungen. Der Hund knurrte nicht, er saß nur vor ihr und behielt sie unverwandt im Auge. Sie pfiff, sang ein Kinderlied, das ihre Mutter ihr oft vorgesungen hatte, doch er blieb unbeweglich sitzen. Die Kammer war schwach erleuchtet. Sie zitterte vor Kälte, obwohl die Sonne warm auf das Strohdach schien.
    Sie wickelte sich in die Decke und stand auf, taumelte und setzte sich wieder. Sie holte tief Luft und stand wieder auf. Ihre Beine waren nun kräftiger, dennoch war sie unendlich schwach. Kerzog rührte sich nicht.
    Was sollte sie tun?

Kapitel 5
    Als er mit einer dampfenden Holzschale zurückkam, stand sie neben dem Bett, gebeugt wie eine alte Frau, in die Decke gehüllt, das

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