Der Herr der Habichts - Insel
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»Nein, nicht für mich«, widersprach Sculla. »Ich würde sie plattdrücken, wenn ich sie nähme.« Die Gefahr bestand allerdings, denn Sculla war ein Riese und mußte sich sogar unter der hohen Eingangstür zum Langhaus bücken. Sculla und seine Frau Amma paßten gut zueinander, zumindest von der Körpergröße her. Amma war ein scharfzüngiges Weib, das sich den Anordnungen der Männer nicht fügte, nicht einmal denen ihres Mannes.
»Entti hat viel Spaß«, meinte Rorik. »Sie ist eine Frau, deren Dienste man gern in Anspruch nimmt. Ottar, du hörst auf, die Namen der Männer zu nennen, denen Entti zu Diensten ist.« Er seufzte. »Enttis Kochkünste sind schlimm genug. Aber auch die anderen Frauen scheinen vergessen zu haben, wie man die einfachsten Gerichte zubereitet und würzt. Ich verstehe das nicht. Ich frage mich, wie jemand auf die Idee kommen kann, Zwiebel in süßen Haferbrei zu geben. Aber die Alte Alna schüttelte nur brummend den Kopf. Wenn die Frauen sich ihrer Fertigkeiten nicht erinnern, sterben wir bald alle oder winden uns mit Magenkrämpfen. Sie leiden genau wie wir, und das macht die Sache noch rätselhafter.«
Hafter schüttelte den Kopf. »Vielleicht gibt es eine neue Abstimmung, und Entti wird von den Kochtöpfen ferngehalten. Sie kocht seit beinahe drei Wochen — die Alte Alna sagte, daß Entti während unserer Abwesenheit jeden Tag gekocht hat. Sie sagt, die anderen Frauen wollen ihr etwas beibringen, aber sie ist eben begriffstutzig.«
»Alna ist ein heuchlerisches altes Weib«, sagte Sculla und zog den Kopf ein, um nicht die tiefhängenden Äste der Eichen am Wegrand zu streifen. »Sie lügt, daß dir die Augen tropfen, die Alte.«
»Frauen sind dickköpfig«, seufzte Ottar. »Und gefährlich, weil sie nicht vernünftig denken wie wir. Sogar meine kleine Utta fängt schon damit an. Ihre Mutter war genauso. Sanft und süß. Und plötzlich reckte sie das Kinn vor, ihre Augen wurden schwarz, und ich wußte, es wäre dumm von mir, ihr zu widersprechen. Bei Thors Hammer, wir verhungern alle, ehe die Frauen ihre Meinung ändern. Vielleicht redest du mit der Alten Alna, Rorik.«
»Das hab ich schon«, meinte Rorik. »Sie fing an zu lamentieren, ich habe ihr die Verantwortung für den Haushalt übertragen, und sie tue ihr Bestes. Und dabei gab sie mir mit Blicken zu verstehen, daß ich ein grausamer Tyrann bin, wenn ich mich noch einmal beklage.«
Aslak lachte und meinte: »Ihr habt alle keine Augen im Kopf. Ich bin erst seit einem Tag wieder da und habe gesehen, daß die Frauen absichtlich solchen Saufraß kochen. Ihr glaubt doch nicht, daß die Weiber das essen, was sie uns vorsetzen, oder?«
»Blödsinn«, meinte Hafter und schlug nach einer Fliege. »Das würden sie nicht wagen.«
»Pah!« höhnte Aslak und schüttelte den Kopf. »Begreift ihr nicht? Die Frauen strafen euch dafür, weil ihr zu Entti ins Bett steigt.«
Sculla widersprach: »Keiner der verheirateten Männer schlüpft zu ihr ins Bett, und wenn sie es tun, sind sie sehr vorsichtig und prahlen damit nicht vor ihren Weibern. Sie schleichen ganz vorsichtig zu ihr. Gurd ist besonders vorsichtig.«
»Meinst du wirklich?« fragte Rorik.
»Ihr seid alle Dummköpfe«, entgegnete Aslak. »Ich spreche die Wahrheit.«
«Frauen sind wirklich seltsam«, meinte Ottar nachdenklich. »Sie scheuen vor nichts zurück. Aslak könnte recht haben. Wir, nein, Rorik muß den Frauen verbieten, Entti in die Nähe der Kochtöpfe zu lassen. Die Frauen müssen gehorchen, vor allem müssen sie deinen Befehlen gehorchen, Rorik. Du bestimmst, was sie zu tun und zu lassen haben. Du befiehlst ihnen, daß sie gefälligst gutes Essen auf den Tisch bringen, sonst werden sie bestraft.«
Rorik schaute Ottar wie ein Gespenst an.
Raki ballte seine mächtigen Fäuste. Er konnte sechs Feinde auf einen Streich erledigen und dabei vor Freude
jauchzen. Doch mit Erna und seinen Söhnen war er sanft wie ein Lamm. Bisher hatte er nachdenklich geschwiegen. Jetzt meinte er: »Die Ernte steht gut. Nicht alle von uns werden hier zur Feldarbeit und zum Schutz der Frauen und Kinder gebraucht. Wir könnten den Seinefluß hinaufsegeln und die reichen Städte an den Ufern plündern. Das wäre ein Spaß, und unsere Taschen würden sich mit Gold und Silber füllen. Oder wir könnten nach Hedeby segeln und Gurds Schwerter gegen Wein aus dem Rheinland und Specksteinschalen gegen Lederwaren und Schmuck tauschen. Wir müssen nicht hierbleiben und verhungern. Selbst die
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