Der Herr der Habichts - Insel
willige Entti ist das nicht wert, und wenn sie euch allen noch so großes Vergnügen bereitet. Was hältst du davon, Rorik?«
Rorik seufzte. »Ich spreche noch einmal mit den Frauen. Dann werden wir sehen.«
Die Männer blickten einander ohne große Hoffnung an.
Kapitel 7
Die Alte Alna sagte zu Asta, der Frau von Gurd, dem Waffenschmied: »Herr Rorik hat die Frau an den Bettpfosten gekettet. Er sagt, ich soll mich von ihr fernhalten. Was hältst du davon?«
Asta, die so gerne lachte, schüttelte jetzt traurig den Kopf. »Es ist merkwürdig. Herr Rorik ist nicht grausam, schon gar nicht zu Frauen. Ist sie wirklich so böse, kalt und gemein? Sie ist die Schwester von Herrn Roriks Todfeind. Aber deshalb muß er sie doch nicht so schlecht behandeln. Sie hat ihm nichts getan, glaube ich. Aber die Geschichten, die die Männer sich über sie erzählen, lassen frische Ziegenmilch gerinnen.«
»Die kleine Utta findet sie sehr freundlich, sie hat ihr Essen gebracht — von ihr gekocht, nicht von Entti; Essen, das auch für uns bestimmt ist. Ob es richtig ist, was wir tun, Asta? Bei der guten Ernährung wird das Mädchen bald wieder zu Kräften kommen.«
»Ja und was dann, Alna? Soll sie getrost essen. Die Kleine ist eine gute Köchin, und die Männer schöpfen keinen Verdacht, nicht einmal ihr Vater Ottar. Die Männer sollen leiden, und die Gefangene soll Fett ansetzen. Weißt du eigentlich, daß zwei der verheirateten Männer bei Entti waren, einen Tag nach ihrer Rückkehr? Ich habe auch Gurd im Verdacht, aber er ist schlau, denn wenn er zu mir kommt, klagt er über Durchfall und Bauchschmerzen. Alle Frauen sind wütend. Auch ich bin wütend. Nein Alna, sollen sie ruhig Enttis Fraß solange essen, bis sie zur Vernunft kommen.«
»Ammas Plan ist gut«, sagte die Alte Alna. »Sie ist klug und will den Männern eine Lektion erteilen. Sie sagt, daß Sculla treu ist, und die anderen müssen es auch sein. Sie sagt, sie sollen ruhig verhungern, wenn sie nicht zur Vernunft kommen. Aber es dauert lang, bis ein Mann verhungert. Vielleicht fordert es mehr Zeit, sie verhungern zu lassen, als sie zur Vernunft zu bringen.«
Rorik ging in seine Schlafkammer. Er hatte sich von dem Keilerblut gereinigt und gebadet und einen saubeneren Kittel angezogen.
Erstaunt blieb er stehen, Ärger rötete sein Gesicht. Sie lag in sein Federkissen geschmiegt wie eine feine Dame, die sich ausruht. Ihr Haar war gekämmt und zu Zöpfen geflochten. Sanfte Löckchen umrahmten ihr Gesicht. Sie schaute ihn schweigend an.
Die Kette um ihr Handgelenk gab ihm Genugtuung. Mochte sie aussehen wie eine Prinzessin, sie war seine Gefangene. Er war der Herr; ihr Schicksal lag in seinen Händen. Das sollte sie nie vergessen. »Steh auf«, befahl er.
Sie erhob sich langsam und stand vor ihm. »Gib mir deine rechte Hand.« Sie streckte ihm die Hand mit der schweren Kette hin. Er entfernte die Kette von ihrem Handgelenk und ließ sie klirrend zu Boden fallen.
Sie trug einen Rock aus weicher grauer Wolle und einen in der Mitte gegürteten weißen Leinenkittel darüber. Seine Stirn verdüsterte sich. »Wer hat dir geholfen?«
»Wirst du die Person auch anketten und schlagen, wenn ich es dir sage?«
»Ich habe dich nicht geschlagen«, sagte er, während sie sich das Handgelenk massierte.
»Vielleicht habe ich dich auf eine Idee gebracht.«
»Wer?«
Seine Wut stieg. Er war der Herr hier, und dennoch hatte ihr jemand geholfen.
»Hafter hat mir geholfen.« Er war sein treuester Gefolgsmann. Sollte er ruhig etwas an dieser Nachricht knabbern.
»Pah! Hafter hat dir geholfen? Selbst wenn er so dumm wäre, das zu tun, kann er es nicht gewesen sein. Er war mit mir auf der Jagd. Hör auf mit deinen dummen Lügen. Es war eine der Frauen. Wer?«
Sie wandte sich ab und ging zur Tür. Er packte ihren Arm und riß sie zu sich herum. Sie hob die andere Hand zum Schlag, doch er hielt ihr Handgelenk fest. Erst jetzt sah er die Kratzer und die tiefen, wundgescheuerten Einschnitte der Kette an ihren Unterarmen und lockerte den Griff.
»Hast du Hunger?«
»Du läßt mich doch absichtlich verhungern. Beinahe hätte ich meine Kette zerbissen. Bietest du mir normales Essen an oder wieder den Schweinefraß?«
Er runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht. Setz dich aufs Bett. Ich bringe dir, was da ist. Wenn ich es nicht essen kann, mußt du es auch nicht essen.«
Kurz darauf kehrte er mit einer flachen Holzschale zurück.
Darauf lag ein Klecks zerstampfter Erbsen mit roten Beeren,
Weitere Kostenlose Bücher