Der Herr der Habichts - Insel
nicht voreilig Drohungen aus.«
»Hättest du den Frauen wirklich beigebracht, den Männern die Gurgel aufzuschlitzen? Nein, sag nichts. Der Gedanke gefällt mir. Ich sehe Amma auf Sculla sitzen, die Messerspitze an seinem Hals, obwohl Sculla ihr treu ergeben ist. Er liebt sie, nein, er vergöttert sie. Auch Raki ist treu. Die arme Erna hat ja nur einen gesunden Arm, doch das stört ihn nicht. Sie ist eine gute Frau.«
Schweigend ruderten sie weiter, und Mirana betete zu den Göttern, daß sie den morgigen Tag überleben würden.
Es war purer Zufall. Askhold hatte seinen Wasserbeutel vergessen und war zum Boot zurückgekehrt, um ihn zu holen, bevor die Männer sich bei Morgengrauen auf den Weg landeinwärts machten.
Beide Boote waren abgetrieben.
»Abgetrieben?« wiederholte Rorik und starrte Askhold verständnislos an.
»Ja, beide.«
»Das ; st kein Zufall«, sagte Hafter.
»Sie hat es getan«, knurrte Gurd. »Die Frau ist falsch wie eine Schlange. Rorik hat recht. Sie hat Verstand. Sie denkt wie ein Mann. Sie war es. Wenn ich sie erwische, breche ich ihr ihren mageren, weißen Hals.«
Rorik nickte. Wut kochte in ihm hoch, doch er fühlte auch Respekt. Sie war gerissen, ja, sie war sogar sehr gerissen.
»Aber sie hat Entti am Hals«, sagte Hafter. »Das hält sie auf. Bei Thors Hammer, wenn sie Entti etwas antut, erdrossle ich die Hexe. Meine arme Entti ist diesem Miststück hilflos ausgeliefert. Sie begreift ja gar nicht, was überhaupt vorgeht.«
»Wie bringt sie Entti wohl dazu, das Ruder zu bedienen?« fragte Rorik nachdenklich. »Einer allein kann ein Kriegsschiff nicht rudern.«
»Noch dazu eine schwache Frau, und mag sie noch so listig sein«, meinte Gurd. »Und sie muß Entti in Schach halten. Entti ist zwar einfältig, aber sie wird bald merken, daß die Frau nicht ihre Freundin ist. Sie wird ihr eine Last sein. Wir holen sie bald ein.«
»Zunächst müssen wir das zweite Boot finden«, sagte Rorik. Die Männer machten sich auf die Suche, sobald die Morgendämmerung durch das dichte Laub kam.
Sie fanden das Boot etwa eine Meile östlich, es hatte sich an einem abgestorbenen Baumstamm verfangen. Sie befreiten es und ruderten siegesgewiß flußabwärts. Als sie die offene See erreichten, war weit und breit nichts zu sehen.
Rorik hatte nicht wirklich daran geglaubt, die Frauen schnell zu finden, dennoch verspürte er Angst und Enttäuschung.
»In welche Richtung sie wohl gerudert sein mag?« fragte Hafter.
»Zurück nach Irland«, antwortete Rorik. »Zurück zu ihrem Bruder, dem Schurken.«
Der Sturm brach wenige Stunden später los. Mirana und Entti ruderten nahe an Land, knapp vor den hohen Brechern. Der Regen prasselte vom Himmel, die Wellen brachen über den Bootsrand herein, die Frauen waren bis auf die Haut durchnäßt, und das Wasser stand ihnen bereits bis zu den Knöcheln.
»Wir müssen an Land Schutz suchen«, sagte Entti keuchend. Sie war so erschöpft, daß sie glaubte, ihre Arme fielen ihr bald ab. Im Regen und Sturm kamen sie kaum voran.
»Ja«, keuchte Mirana. »Es bleibt uns nichts anderes übrig. Die Flut trägt uns sonst immer weiter auf die offene See hinaus.«
»Das Wasser im Boot steigt. Wir drohen zu sinken. Mirana, sie werden uns nicht finden. Sie suchen landeinwärts nach uns. Diesmal haben wir Rorik überlistet.«
»Er ist schlau«, meinte Mirana argwöhnisch und drehte sich um, ohne im strömenden Regen und durch die tiefhängenen Wolken irgend etwas erkennen zu können.
Sie schafften es, das Schiff an Land zu ziehen. Mühsam und mit letzter Kraftanstrengung schleiften sie es über den Sand, damit es nicht wieder aufs offene Meer hinausgespült würde.
Nun standen sie vollkommen außer Atem und erschöpft vor dem Boot. »Ich glaube, jetzt sitzt es fest«, keuchte Mirana.
Entti nickte nur. Keine von ihnen wäre in der Lage gewesen, es auch nur eine Handbreit weiter an Land zu ziehen. »Komm, wir setzen uns unter die Bäume.«
Sie kauerten sich unter eine mächtige Eiche, deren Laubdach ihnen weitgehend Schutz bot. Sie waren bis auf die Haut naß und froren jämmerlich.
»Wir dürfen nicht krank werden«, sagte Mirana zähneklappernd und drückte Entti fest an sich.
Gegen Nachmittag hatte der Regen nachgelassen.
»Ich habe großen Hunger, Mirana«, seufzte Entti.
»Ich auch. Wir müssen Beeren und Wurzeln sammeln. Ich weiß, welche Wurzeln eßbar sind. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Entti lachte. »Du bist also auch darauf reingefallen. Ich koche sehr
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