Der Herr der Habichts - Insel
erhobenen Hauptes an Rorik vorbei.
Rorik rieb sich befriedigt die Hände: »Na endlich. Hafter wird sie die ganze Nacht reiten und dann zur Vernunft kommen. Morgen wird er Sira heiraten und sie von hier wegbringen.«
Mirana schlug die Bettdecke zurück und stellte sich sehr aufrecht vor ihn. »Ich dulde es nicht. Hast du verstanden? Ich lasse nicht zu, daß meine Freundin mißbraucht wird, weil du Sira loshaben willst.« Nur im Leinenhemd, das kaum ihre Oberschenkel bedeckte, stolzierte sie mit wehenden Haaren an ihm vorbei. Mit offenem Mund schaute er ihr nach, bevor er sich ebenfalls in Bewegung setzte. Mit langen Schritten durchmaß sie den Raum und tauchte in der Gruppe der Frauen unter.
Erna strich ihr mit der gesunden Hand die Haare glatt. Die Alte Alna kicherte durch ihre Zahnlücken, brachte sonderbare Pfeiflaute hervor und tätschelte ihren Arm.
Utta blickte bewundernd und erstaunt zu ihr hoch.
Und Amma, das verdammte Weib, die alle anderen zum Aufstand aufgehetzt hatte und die aufgrund ihrer Härte und Willenskraft eher ein Mann hätte sein können, legte Mirana die Hand auf die Stirn, um zu prüfen, ob sie Fieber habe. Entti war nirgends zu sehen. Die anderen Frauen standen grinsend herum. Wieso zeigten sie ihr so viel Zuneigung? Und warum wandten sich die Weiber von ihm ab?
Verärgert trat Rorik zu Hafter, der mit einem Krug Met in der Hand auf einer Bank saß und dumpf vor sich hin glotzte. Er sah aus wie ein geprügelter Hund.
Rorik redete ihn an: »Hast du mit Entti gesprochen?«
»Ja.« Hafter hob den Kopf. »Sie sagte, sie bringt entweder mich oder sich selbst um, wenn ich versuche, sie zu besteigen. Damit ließ sie mich stehen.« Er nahm einen tiefen Schluck aus dem Krug. »Sie ist stark, Rorik. Sie kämpft wie eine Wildkatze. Ihr Knie ist eine tödliche Waffe. Ich könnte sie mit Gewalt nehmen. Aber ich möchte ihr nicht wehtun.«
»Wieso nicht? Sie ist nur eine Sklavin. Sie gehört dir. Du kannst mit ihr machen, was du willst.«
Hafter schüttelte den Kopf. »Früher war sie keine Sklavin. Ihrem Verhalten nach ist sie eine Herrin.«
Rorik war zu müde und zu enttäuscht, um darüber nachzudenken, warum in letzter Zeit nichts mehr nach seinem Willen zu gehen schien. Sein Plan war klug und ehrenhaft, alle Probleme wären damit gelöst. Bis auf Enttis natürlich, doch sie war eine Sklavin. Was sie früher war, hatte keine Bedeutung mehr. Er brüllte auf Hafters gesenkten Kopf hinunter: »Du bist ein Krieger! Feßle das verfluchte Weib und nimm sie!«
Hafters Augen leuchteten auf. »Daran hatte ich wirklich nicht gedacht. Hilfst du mir dabei? Sie ist sehr widerspenstig.«
Rorik machte ein angewidertes Gesicht. Seine Faust sauste auf Hafters Schulter nieder und streckte den
Freund zu Boden. »Mach das allein!« schrie er im Umdrehen und sah, wie seine Frau zu ihm herüber grinste.
Hafter kam kopfschüttelnd auf die Beine, trank den restlichen Met, knallte den Krug auf die Bank und stapfte ins Freie.
Mirana bekam Angst. Sie wollte ihm nach, spürte jedoch Ammas Hand auf ihrem Arm.
»Nein, Mirana, laß ihn. Entti wird alleine mit ihm fertig. Sie hat uns alle in Erstaunen versetzt. Die ganze Geschichte eignet sich für die Lieder der Skalden, vor allem für die lustigen.«
»Ja«, sagte Erna, und Tränen stiegen ihr in die Augen. »Wäre nur Asta hier. Ich höre direkt, wie sie Hafter hänselt und ihn lachend in die Seite knufft.«
»Ja, ich auch«, meinte Mirana und fragte sich, ob Gurd wohl alleine herumwanderte, um den Tod seiner Frau zu betrauern. Sie mochte ihn nicht besonders, hatte aber Mitleid mit ihm.
»Zum Glück hast du wenigstens das vergiftete Essen überlebt«, sagte die Alte Alna. »Ich weiß nicht, was es gewesen sein könnte. So sehr ich auch nachgedacht habe, ich begreife nicht, warum nur du und Asta krank geworden seid. Ach, es ist zuviel Leid für eine alte Frau. Asta war ein liebenswerter Mensch. Ich erinnere mich, wie sie geboren wurde. Sie kam aus dem Bauch ihrer Mutter mit einem Geschrei, das lauter als der Schlachtruf der Wikinger war. Und gleich darauf gluckste sie vor Vergnügen. Ihr werdet es nicht glauben.«
»Ja«, meinte Amma. »Und ich wette, sie brachte ihre Mutter damit auch zum Lachen. Als sie Gurd kennenlernte, meinte sie, kein anderer habe stärkere Arme, aber sie wisse nicht recht, ob er gewalttätig sei. Dann lachte sie und meinte, kein Mann könne einem guten Witz widerstehen, und sie würde ihn schon zum Lachen bringen.«
Utta meldete sich
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