Der Herr der Habichts - Insel
hältst das alles wohl für einen Scherz. Du lachst mich aus.«
»Aber nein. Setz dich zu mir. Wir müssen überlegen, was wir tun können. Rorik hält sich für edelmütig und weise, eine Lösung gefunden zu haben, mit der alle zufrieden sind. Er weiß nicht, daß . . .«
»Was?«
»Entti, setz dich endlich und hör mir zu. Rorik will, daß Hafter Sira heiratet, aber der weigert sich. Es ist deine Schuld — deine und meine —, daß Hafter sie verschmäht. Er will dich, und Rorik hält das für schiere Lust, mehr nicht. Und du trägst Schuld an seiner Begierde, und ich natürlich, weil ich deine Freundin bin.«
»Natürlich ist es nichts anderes! Bei den Göttern, Hafter ist wie alle Männer — ein geiler Bock, der nur daran denkt, wie er seinen Schwanz in eine Frau schieben kann. Ich weigere mich, Mirana. Ich soll mich dafür hergeben, ihn von seiner Lust zu kurieren, damit er die Giftschlange Sira heiratet! Pah!«
»Nein, das tust du nicht. Und es ist nicht nur Lust. Ich habe begriffen, daß Hafter dich nicht nur will, um seine männliche Lust an dir zu befriedigen.«
Entti starrte sie an. Dann schüttelte sie langsam den Kopf. »Du bist verrückt, Mirana.«
Mirana lächelte. »Nein. Er liebt dich. Vielleicht weiß er es noch nicht, aber er weigert sich, Sira zu heiraten. Also spürt er es. Und du, meine Liebe, du hast dich so erbittert gegen ihn gewehrt, ihn verflucht und beschimpft, daß du deine eigenen Gefühle nicht mehr kennst.«
»Du bist verrückt. Ich verachte Hafter. Er ist . . .«
»Ich weiß. Er ist eine Bestie, ein Ziegenbock, ein . . .«
»Ich will dich nicht damit langweilen, Mirana«, sagte Entti schließlich steif, stand auf und verschränkte die
Hände. Mirana blickte lächelnd auf die weißen Knöchel ihrer Finger.
»Hör zu, Entti. Warum sagst du Hafter nicht, daß du in Erwägung ziehst, ihn zum Ehemann zu nehmen, wenn er dich höflich behandelt und wenn er dir seine aufrichtige und ehrenvolle Absicht zu erkennen gibt.«
»Nein.«
»Mach ihm klar, daß du dich ihm erst hingibst, wenn ihr verheiratet seid.«
»Nein.« Entti ging erregt auf und ab. »Ich glaube dir nicht. Wir werden fliehen, vielleicht schon morgen nacht. Und wir lassen all das Durcheinander hier hinter uns.«
Mirana schüttelte traurig den Kopf.
»Glaubst du«, fuhr Entti fort, »sie schließen Frieden mit dir, nur weil du krank warst? Ich höre allerhand, Mirana. Alle sprechen ungeniert in meinem Beisein, außer Hafter, der mich nur düster angafft. Ich habe gehört, was Merrik zu den anderen Männern sagt. Und ich habe gehört, was seine Eltern miteinander reden. Keiner will dich hier haben. Sie wünschen dir zwar nicht den Tod, aber sie wollen, daß du verschwindest. Ich glaube, sie haben Angst vor dir, sie fürchten, daß dein Halbbruder eines Tages hier auftaucht, um dich zu holen.
Und Sira, die Schlange, würde dir liebend gern ein Messer zwischen die Rippen jagen. Wir müssen fliehen, Mirana.«
»Willst du das wirklich, Entti? Willst du Hafter wirklich nie Wiedersehen?«
»Was bleibt mir denn anderes übrig?« Ihre Stimme war leise, tonlos und ohne Hoffnung. »Ich will nicht hier bleiben und wieder zur Hure gemacht werden. Ein paar der Männer werfen mir schon wieder lüsterne Blicke zu, weil sie wissen, daß du mich nicht länger beschützen kannst. Gurd an erster Stelle. Sie werden mich zwingen, mit ihnen das Lager zu teilen, es ist nur eine Frage der Zeit.«
Entti hob den Kopf und sah Rorik in der Tür stehen.
»Hafter wartet auf dich, Entti. Geh zu ihm.«
Sie schüttelte den Kopf, ohne sich von der Stelle zu rühren.
»Ich habe dich ihm gegeben. Du brauchst keine Angst vor den anderen Männern zu haben. Sie werden dich nicht anfassen. Hafter ist jetzt dein Herr. Geh zu ihm.«
»Fahr zur Hölle der Christen, Herr Rorik, und schmore dort bis in alle Ewigkeit.«
Er erbleichte und richtete sich zu voller Größe auf. Nein, er würde sie nicht schlagen, er hatte noch nie eine Frau geschlagen. »Du bist keine Hure, Entti. Aber du bist eine Sklavin. Und du gehorchst meinen Befehlen.«
»Sie war keine Sklavin, bevor du ihre Siedlung überfallen und sie entführt hast.«
»Du hältst den Mund, Mirana«, herrschte er sie an, und zu Entti gewandt fuhr er fort: »Wenn dein Vater und die Männer deines Dorfes nicht imstande waren, ihr Eigentum zu verteidigen, verdienten sie es nicht anders, als alles zu verlieren, auch dich, Entti. Das ist der Lauf der Welt.«
Entti holte tief Luft und ging
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