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Der Herr der Habichts - Insel

Der Herr der Habichts - Insel

Titel: Der Herr der Habichts - Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Coulter
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und leblos sank ihr Kopf.
    Sie trug nur ein leichtes Leinenhemd. Die Kammer war schwach erleuchtet, und dafür war Rorik sehr dankbar. Schnell öffnete er eine Truhe am Fuß des Kastenbettes und holte ein Gewand hervor, warf es ihr über den Kopf und zog es nach unten. Auf den Holzplanken standen
    Lederschuhe, die er ihr über die Füße streifte und die Riemen verknotete. Aslak erschien in der Kammer und reichte ihm den Strick. Er band ihr die Hände auf den Rücken und ihre Fußknöchel zusammen. Dann stopfte er ihr ein Leinenhemd in den Mund, band ein zweites Hemd darum und verknotete es am Hinterkopf. Er wickelte sie in die Wolldecke und warf sie sich über die Schulter. Der Schmerz zwang ihn in die Knie.
    »Das hat sie von ihrem Hochmut«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
    Sie schlichen lautlos durch das Haus. Dicke Rauchschwaden hingen in der Luft, und Rorik spürte ein Kratzen im Hals. Er unterdrückte einen quälenden Hustenreiz. Plötzlich fuhr ein Mann von seiner Bank hoch, starrte sie an, dann fiel er grunzend wieder nach hinten. Rorik konnte Gunleik nirgends entdecken. Er hätte ihn gerne getötet; bevor er ihn umbrachte, hätte er sich aber noch gern vorher bei ihm bedankt. Er und die Hexe hatten ihm das Leben gerettet, damit Einar ihn foltern konnte. Dennoch verdankte er den beiden, jetzt fliehen zu können.
    Aslak gelang es, den Querriegel am schweren Eichentor geräuschlos hochzuheben. Roriks Herz schlug so laut, daß er glaubte, es dröhne durchs ganze Haus. Er spürte nicht den geringsten Schmerz in seiner Schulter. Seine Gedanken waren auf die Flucht fixiert und darauf, nicht husten zu müssen und die Frau auf seiner Schulter zu halten.
    Sie hatten das Langhaus verlassen. Nun mußten sie noch an den Hunden und an einem halben Dutzend Wachen vorbei. Plötzlich stellte sich ihnen ein Mann in den Weg, starrte sie mit offenem Mund an. Rorik ließ Mirana fallen; seine Hände umklammerten den Hals des Feindes, bevor der einen Laut herausbrachte. Er würgte ihn, ließ ihn los, und der Mann sackte röchelnd zu Boden. Rorik zog das Schwert aus der Scheide und hieb dem keuchenden Mann das Heft über den Schädel.
    »Töte ihn, Herr!«
    »Ich brauche das Blut des Fremden nicht an meinen Händen«, entgegnete Rorik. »Er hat mir nichts getan. Er verdient den Tod nicht.« Wieder schulterte er Mirana und setzte sich in Bewegung. Doch nach zwei Schritten taumelte er vor Schmerz in seiner Schulterwunde. Er blieb stehen, holte tief Luft und atmete langsam aus, immer wieder, bis der Schmerz erträglich war. Das hatte ihn sein Vater gelehrt. Sein Vater hatte ihn auch gelehrt, daß Rache wichtiger war als das Leben. Leben ohne den Rachedurst zu stillen verwandelte einen Mann in ein elendes Geschöpf.
    Sie erreichten den kleinen Schuppen, in dem seine zwei Leute gefangen waren. Vor dem Schuppen kauerten zwei Wächter, beide schnarchten im Tiefschlaf. Sie waren in Wolldecken gehüllt, ihre Schwerter und Messer lagen neben ihnen.
    Rorik ließ Mirana erneut von der Schulter gleiten, schlug jedem der Männer den Schwertgriff über den Kopf und steckte die Waffe wieder in die Scheide.
    Sculla und Hafter waren in besserem Zustand als er. Sie waren nicht erstaunt, ihn zu sehen, das gab ihm ein gutes Gefühl. Sie hatten sich darauf verlassen, daß er sie befreite. An der Spitze der kleinen Gruppe, die immer noch bewußtlose Frau über der Schulter, verließ er die Festung durch den hinteren Einlaß. Die Holzplanke lag noch über der Schlucht.
    Kurze Zeit später ruderte Rorik Haraldsson mit seinen dreißig Männern und der Frau als Geisel auf die offene irische See hinaus.
    Rorik blickte auf Clontarf zurück, auf Einar Thorssons Festung. Diesmal hatte er verloren. Beim nächsten Mal würde er siegen. Er würde seinen Rachedurst stillen. Unterdessen hatte er die Hexe in seiner Gewalt, die es gewagt hatte, ihm ein Messer an die Kehle zu setzen.
    Sie lag auf den Schiffsplanken zu seinen Füßen, immer noch bewußtlos in die Wolldecke gehüllt. Ihr schwarzes
    Haar hing ihr wirr ins Gesicht, und die weiße Haut schimmerte wie der Schnee in Vestfold im tiefen Winter unter einem bleichen Vollmond. Sie wirkte fremdartig auf ihn mit ihrer weißen Haut, dem schwarzen Haar und den grünen Augen; anders als die himmelblauen Augen seiner Landsleute. Welcher Abstammung ihre Mutter wohl gewesen sein mochte? Sie war nun seine Gefangene, und er würde sie behandeln, wie es ihm behagte. Von ihr würde er alles über Einar erfahren. Wenn

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