Der Herr der Habichts - Insel
ihren Worten der Kamm schwoll. Sie mußte lernen, ihre Schmeicheleien feiner zu dosieren. Es fiel ihr noch schwer, das richtige Maß zu finden.
»Hat Rorik mit dir getan, was er wollte?«
Sie spürte, wie ihr das Blut in den Kopf schoß. »Was meinst du damit, Einar?«
»Ich denke daran, was Sira mir berichtete, im übrigen auch Gunleik und die anderen Männer. Du hast behauptet, du seist mit Rorik Haraldsson verheiratet und keine Jungfrau mehr, deshalb könntest du den König nicht heiraten. Du wirst mir jetzt sagen, daß du gelogen hast — und warum du gelogen hast.«
Sie sah ihm in die Augen. Sie wollte nicht sterben. Sie wollte nicht, daß Einar ihr ein Messer in die Brust stieß. Nein, dachte sie, und nochmals nein.
Mit klarer Stimme antwortete sie: »Ja, ich habe gelogen. Ich wollte keinen alten Mann heiraten, Einar, ob König oder Bettler. Juwelen und Sklaven interessieren mich nicht, das weißt du. Ich hätte alles gesagt, um den alten Mann nicht heiraten zu müssen, also behauptete ich, die Gemahlin deines Feindes Rorik Haraldsson zu sein. Ich bitte dich, zwinge mich nicht zu dieser Verbindung.«
»Es gibt Dinge, von denen du nichts verstehst«, sagte er und blickte in den schwarzen Himmel hinauf. Die Wolkendecke riß kurz auf, und ein Stern blinkte vom Himmel. »Der Abendstern. Auf See gibt es verzweifelte Männer, die in diesem Augenblick in Jubel ausbrechen.«
Sie flehte zu den Göttern, Rorik möge einer dieser Männer sein.
»Welche Dinge?«
»Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Hab Vertrauen zu mir, Mirana. Was ich tue, ist nicht nur für mich, sondern auch für dich von großem Nutzen. Hab Vertrauen zu mir.«
Ihre Stimme klang nun glatt und etwas spöttisch, denn mit Bitten würde sie bei Einar gar nichts erreichen: »Und wenn ich kein Vertrauen zu dir habe, Bruder? Was würdest du mit mir tun? Mich schlagen? Mich töten?«
»Nein. Der König und sein Ratgeber, ein weiser Mann namens Hormuze, werden bald nach Clontarf kommen, um dich zu holen. Aber ich werde dich vorher untersuchen. Ich kann das Risiko nicht auf mich nehmen, daß der König vielleicht feststellt, daß du gar keine Jungfrau mehr bist. Mein Finger muß deine Jungfernhaut spüren, Mirana. Komm mit mir. Wenn du willst, verschaffe ich dir auch Lust dabei. Du hast die Wollust einer Frau noch nicht kennengelernt. Komm jetzt.« Er hielt ihr die Hand entgegen.
Sie starrte ihn so entsetzt an, als sei er eine Giftschlange.
»Es ist die Wahrheit, Einar. Ich habe gelogen, als ich sagte, ich sei die Gemahlin von Rorik Haraldsson. Rorik hat mich nie berührt. Ich war lediglich seine Geisel, eine wertvolle Geisel, um dich zu besiegen. Er wollte mich nicht vergewaltigen. Er hatte kein Interesse an meiner Weiblichkeit.«
Sie wußte, daß Einar sie berühren wollte, vielleicht nur, um seine abartige Lust zu stillen oder um sie zu demütigen. Wie dumm von ihr, das nicht durchschaut zu haben. Jetzt sah sie seine sündige Begierde deutlich, die pechschwarz in seinen Augen glitzerte.
Seine perversen Gelüste züngelten nach ihr. Nun war sie das Ziel seiner Verderbtheit, seiner schmutzigen Begierden. Mit fester Stimme sagte sie: »Nein, Einar.«
Lächelnd nahm er ihre Hand in seine beiden Hände und liebkoste ihre Handfläche mit den Daumen. Ihre Finger waren eiskalt, die Handfläche schweißnaß.
»Ich bin dein Bruder, Mirana. Und dein Herr, bis du die Gemahlin des Königs bist. Du tust, was ich von dir verlange.«
»Nein, es ist eine Sünde. Es ist gegen die Natur. Du bist mein Bruder. Vergiß das nicht und denk an die Pflichten, die damit verbunden sind. Du wirst mich nicht berühren.«
»Eben weil ich dein Bruder bin, will ich dich nicht demütigen und die Prüfung von einem anderen vornehmen lassen.«
»Dann soll es eine Frau tun, wenn du mir nicht glaubst. Wenn du wirklich denkst, daß ich lüge, dann laß Hannah die Prüfung vornehmen.«
»Du hast schon einmal gelogen und behauptet, dieser Rorik sei dein Ehemann. Die Frauen würden alles tun, worum du sie bittest. Ich könnte nicht glauben, was Hannah mir erzählt. Ich weiß nicht, wo die Wahrheit liegt, Mirana.«
Sie richtete sich sehr gerade auf, blickte zum Himmel und sagte: »Wenn du mir das antust, weigere ich mich, den König zu heiraten.«
Er schlug ihr hart ins Gesicht. Ihr Kopf schnellte zurück. Sie wäre gestürzt, hätte er ihren Arm nicht festgehalten. Er riß sie grob an sich und flüsterte gegen ihre Schläfe: »Widersprich mir nie wieder. Komm, ich will
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