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Der Herr der Lüfte

Der Herr der Lüfte

Titel: Der Herr der Lüfte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Moorcock
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ein bepflanzbarer Flecken war. Schmetterlinge und Vögel in großer Zahl flogen umher. Auf hübschen Plätzen plätscherten Springbrunnen, und manchmal stießen wir auf ein Blasorchester, welches das Publikum unterhielt, ein Kasperltheater oder auch irgendwelche Niggersänger. Nicht alle alten Gebäude waren verschwunden. Ich erblickte die Tower Bridge und den Tower selbst so blitzsauber, als seien sie gerade erst erbaut worden, ebenso die St.-Paul's-Kathedrale, die Houses of Parliament und den Buckingham Palace (wo ein neuer König Edward - König Edward VIII., inzwischen auch schon ein alter Mann - seine Residenz hatte). Das britische Volk nahm wie immer die besten Neuerungen an und erhielt das Beste vom Althergebrachten.
    Ich betrachtete meinen Aufenthalt im Jahre 1973 allmählich als wunderbaren Urlaub. Ein Urlaub, der, wenn ich Glück hatte, für immer dauern würde.
    ZWEITES BUCH
    Weitere merkwürdige Begebenheiten -
eine Entdeckung -
und mehrere Katastrophen
    1 Die Frage einer Anstellung
    Die nächsten sechs Monate führte ich, wie ich zugeben muß, ein bequemes Leben. Ich täuschte weiter eine Amnesie vor, und natürlich vermochte nichts, was die Ärzte unternahmen, mein »Gedächtnis« zurückzubringen. Manchmal kam es mir sogar so vor, als sei die Welt von 1902 nicht mehr als ein äußerst detaillierter Traum gewesen. Dies beunruhigte mich anfänglich, aber letztlich spielte es keine Rolle mehr für mich, in welche Epoche ich eigentlich »gehörte«.
    Ich wurde als eine Art Phänomen betrachtet und war für kurze Zeit eine Berühmtheit. Zeitungsartikel über mein mysteriöses Auftauchen in den Bergen des Himalaya wurden verfaßt, und die Spekulationen, besonders in der Regenbogenpresse, wurden wilder und immer wilder. Einige waren so fantastisch, daß sie an die Wahrheit heranreichten! Ich wurde für den Kinematografen (dessen farbige Bilder inzwischen sprechen und sich bewegen können) interviewt wie auch für das Marconiphon - eine Version des Telefons, das von zentralen Sendern aus Nachrichten, Stücke und Unterhaltungsmusik in fast jedes Haus ausstrahlt, wo sie von Empfängern so laut verstärkt werden, daß man sie nicht mehr ans Ohr halten muß, sondern sogar von einem anderen Raum aus hören kann, wenn man dies wünscht. Ich nahm an einem Empfang teil, dem auch der liberale Premierminister, Sir George Brown, beiwohnte (die Liberalen waren seit über dreißig Jahren an der Regierung, und die Konservativen waren eine weitgehend dem Untergang geweihte Partei), und stellte fest, daß die sozialistischen Forderungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts positive Einflüsse auf die vernünftigeren politischen Parteien wie die Liberalen gehabt und tatsächlich den Anstoß für viele gesellschaftliche Verbesserungen, deren Zeuge ich geworden war, gegeben hatten. Erst in jüngster Zeit hatte - fast unvorstellbar - die Schlange des Sozialismus begonnen, ihr Haupt im politischen Leben wieder zu heben. Nicht daß diese Anschauung beim britischen Volk viele Anhänger gefunden hätte. Wie gewöhnlich nutzten einige wenige Fanatiker und neurotische Intellektuelle diese Ideologie als Mittel zur Durchsetzung ihrer persönlichen, verrückten Ideen.
    Im Lauf des ersten halben Jahres wurde ich per Schienenbahn, Luftschiff, Dampfwagen oder Elektromobil in alle Teile Großbritanniens gebracht, und natürlich war kaum etwas wiederzuerkennen. Die größeren Städte waren nach dem Vorbild Londons angelegt, und zwischen diesen großen »Ballungsräumen«, wie sie das nennen, herrschte ständige und schnelle Verbindung. Wo der Handel einst bessere Reise- und Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen hatte, kam dies nun jedermann zu seiner Bequemlichkeit und seinem Vergnügen zugute.
    Die Bevölkerung war beachtlich gewachsen, doch der Arbeiter war so wohlhabend wie viele Mittelschichtbürger im Jahre 1902, und er mußte lediglich 30 Wochenstunden arbeiten, um ein echt luxuriöses Leben zu führen. Es war keinerlei Problem, ein gut eingerichtetes Haus und eine Arbeit zu finden, denn die Überbevölkerung der Nation war nur allzu gerne bereit, sich über die britischen Inseln auszubreiten. Jedes Jahr brachen Tausende von Menschen auf, um in alle Winkel des Empire zu ziehen: nach Afrika, Indien, in die Protektorate in China, die Hoheitsgebiete in Australien, Neuseeland und Kanada. Auf der ganzen Welt ließen sich Briten nieder und erschlossen - also zivilisierten - selbst die 'unzugänglichsten Gebiete dank der Erfindung des

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