Der Herr der Lüfte
und wurde auf die A. S. Loch Ness kommandiert.
Trotz aller Assoziationen, die dieser Name hervorrufen mag, war die Loch Ness kein Ungeheuer, sondern ein schmuckes, kleines Luftschiff von nicht mehr als 80 Tonnen mit einer Ladefähigkeit von 60 Tonnen und war wunderbar zu handhaben. Ich war froh, auf ihr eingesetzt zu sein, wenn auch der Kapitän etwas die Nase rümpfte über die Notwendigkeit, mich an Bord zu haben und anfänglich etwas kühl mir gegenüber war. Je größer ein Luftschiff normalerweise ist, um so umgänglicher ist es auch, doch die kleine Loch Ness war wendig, gutmütig und zuverlässig. Sie flog niemals große Strecken. Ich glaube, die längste Reise, die wir jemals unternommen haben, führte nach Gibraltar; die Loch Ness war dafür eigentlich nicht ausgerüstet, denn sie war ein sogenanntes »Weichhüllenschiff« (ihre Hülle bestand aus Tuch statt aus Plastik), und sie besaß keine automatische Temperaturkontrolle, so daß man verflixt aufpassen mußte, daß ihr Gas sich in der Mittelmeerhitze nicht so sehr ausdehnte. Auf ihr habe ich eine Menge über Luftschiffe gelernt. Es tat ein bißchen weh, sie zu verlassen, denn man hängt schließlich an einem Luftschiff wie ein Seemann an einem gewöhnlichen Schiff. Man hatte mich jedoch nur auf sie abkommandiert, damit ich einige Erfahrungen sammelte, und ich habe die Aufgabe wohl ziemlich gut bewältigt, denn das Macaphee-Unternehmen (dem die Loch Ness gehörte) schickte mich an Bord der eben fertiggestellten Loch Etive , dem Stolz ihrer Linie.
Die Loch Etive ähnelte dem ersten Handelsschiff, auf dem ich geflogen war, der Lichter von Dresden . Nun jedoch, da ich mit den Einzelheiten von Luftschiffen vertraut war, konnte ich all ihre Wunder angemessen bestaunen. Sie war 1000 Fuß lang mit vier Dieselmotoren auf jeder Seite und reversiblen Propellern. Ihr Heliumfassungsvermögen lag bei 12 Millionen Kubikfuß, aufgeteilt auf 24 Einzelbehälter innerhalb der Hülle. Ihr Rahmen bestand aus »Duraluminium«. Sie konnte 400 Passagiere und 50 Tonnen Ladung befördern. Sie erreichte ohne Schwierigkeiten 100 Meilen pro Stunde, und ihre Spitzengeschwindigkeit bei gutem Wetter lag bei 150. Ihre ganzen Apparaturen befanden sich innerhalb der Hülle, bis auf die Motorgondeln und ihre Propeller. Die Inspektionsgänge oberhalb und an der Seite des Rumpfes waren eingelassen, für Notfälle führten wir Fallschirme, Boote, Schwimmwesten und zwei Weichballons mit. Zur Unterhaltung der Passagiere standen Kinematographien, Ballsäle, Phonographen, Decksportanlagen, Partyspiele und Restaurants zur Verfügung - alles was man auf einer Fläche von einer Viertelmeile dreitausend Fuß über der Erdoberfläche sich nur wünschen kann!
Wir befanden uns auf einer Weltreise auf der Roten Route, wie wir dies nannten (nach der Farbe der Länder auf den Karten), mit einem Abstecher über die USA. Wir flogen von Großbritannien über Kanada und die USA hinunter nach Britisch-Ecuador, über Australien, Hongkong, Kalkutta, Aden und Kairo zurück nach London. Meine Aufgabe bestand darin, ein Auge auf suspekte Reisende zu werfen. Durchsuchungen nach Waffen und Bomben vorzunehmen, all so etwas, und, was am erfreulichsten war, Anzeigen der Passagiere entgegenzunehmen von Verdächtigungen wegen kleiner Diebstähle und Falschspielerei bis hin zu angeblichen Sabotageversuchen. Es war ein Job, der mir letztendlich viel Zeit ließ, den Flug zu genießen, und es gab kaum irgendwelche ernsten Zwischenfälle. Wir hatten einen interessanten Querschnitt von Passagieren aller Völker, Hautfarben und Weltanschauungen - indische Prinzessinnen, afrikanische Stammesfürsten, britische Diplomaten, amerikanische Kongreßabgeordnete, ranghohe Soldaten, und einmal beförderten wir den alternden Präsidenten der Chinesischen Republik (die, wie ich leider sagen muß, kaum mehr war als ein Haufen Provinzen unter der Gewalt verschiedener Kriegsherren). Vor allem beeindruckte mich die Bildung und Weisheit der Eingeborenenführer, insbesondere der Afrikaner, von denen man viele für englische Gentleman hätte halten können, wäre da nicht ihre Hautfarbe gewesen.
Der Mann, der die Gesamtverantwortung für jede Einzelheit beim Flug der Loch Etive wie auch für jeden Menschen an Bord trug, war der alte Kapitän Harding, der fast von Anfang an Luftschiffe geflogen hatte, als das noch ein weit gefährlicheres Geschäft gewesen war. Er war, so erfuhr ich, einer der letzten gewesen, der eine »fliegende Bombe«
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